Zweiter Kongreß der
deutschen Demokraten in Berlin
am 26., 27., 28., 29. und 30. Oktober 1848.
Beschlüsse.

Der zweite Kongreß der deutschen Demokraten, gebildet aus 240 Abgeordneten deutscher demokratischer Vereine, versammelt zu Berlin am 26., 27., 28., 29. und 30. Oktober 1848, hat beschlossen: Die demokratischen Vereine Deutschlands organisieren sich, wie folgt:

§.1. Es wird ein Zentralausschuß von 3 Mitgliedern und 6 Stellvertretern erwählt, welcher bis zum nächsten Kongreß in Tätigkeit bleibt.

§. 2. Die Wahl des Zentralausschusses erfolgt durch den Kongreß.

§. 3. Aufgabe des Zentralausschusses ist: Die demokratische Partei in Deutschland zu einigen und zu verstärken; eine rege Korrespondenz direkt oder durch die Kreisausschüsse mit allen demokratischen Vereinen zu unterhalten, dieselben von allen wichtigen Ereignissen sofort zu benachrichtigen und regelmäßige Berichte über den Stand der Demokratie von den Kreisausschüssen allmonatlich einzufordern.

Außerdem hat sich der Zentralausschuß mit dem Zentralkomitee und den Provinzialkomitees der deutschen Arbeiter in die engste Verbindung zu setzen.

§. 4. Der Zentralausschuß hat seinen Sitz in Berlin, kann ihn aber erforderlichenfalls verlegen.

§. 5. Der Zentralausschuß ist verpflichtet, den demokratischen Kongreß halbjährlich und berechtigt, denselben im Falle außerordentlicher Ereignisse zu jeder Zeit zu berufen.

§. 6. In jedem Kreise wird ein Kreisausschuß gebildet.

§. 7. Jeder Kreisausschuß besteht aus mindestens 5 Mitgliedern, welche der Kreiskongreß aus Mitgliedern seiner Vereine wählt. Der Kreisausschuß bleibt bis zum Schluß des nächsten Kreiskongresses in Funktion.

§. 8. Die Kreisausschüsse haben den Zweck, den regelmäßigen Geschäftsgang zwischen den einzelnen Vereinen und dem Zentralausschuß zu erleichtern, die einzelnen Kreise demokratisch zu organisieren und dem Zentralausschuß monatlich Bericht zu erstatten über Namen, Zahl und Tätigkeit der Vereine ihres Kreises.

§. 9. Jeder Kreisausschuß hat mindestens einmal monatlich ein Rundschreiben an seine sämtlichen Lokalvereine zu richten und je eine hinreichende Anzahl Exemplare davon an den Zentralausschuß zur Kenntnisnahme für sämtliche Kreisausschüsse einzusenden. In den Rundschreiben der Kreisausschüsse an die Lokalvereine sind alle wichtigen Ereignisse zu melden und ist auf die im Interesse der Demokratie notwendigen Schritte hinzuweisen.

§. 10. Jeder Kreisausschuß ist außerdem verpflichtet, eine demokratische Zeitung als Organ zu gewinnen oder zu gründen.

Erklärung der Menschenrechte.

  1. Der Zweck jedes politischen Gemeinwesens ist die Wahrung der natürlichen und unverjährbaren Rechte des Menschen und die Entwicklung aller seiner Fähigkeiten.
  2. Die wichtigsten Menschenrechte sind die, für die Erhaltung seiner Existenz und seiner Freiheit zu sorgen.
  3. Diese Rechte stehen allen Menschen gleichmäßig zu, wie groß auch die Verschiedenheit ihrer körperlichen und geistigen Kräfte sei.

    Die Gleichheit der Rechte ist von der Natur eingesetzt; die Gesellschaft, weit entfernt, ihr Eintrag zu tun, wahrt sie bloß gegen den Mißbrauch der Gewalt, welcher sie untergräbt.
  4. Die Freiheit ist die jedem Menschen zukommende Macht, nach seinem Gutdünken alle seine Fähigkeiten anzuwenden; sie hat zur Richtschnur die Gerechtigkeit, zur Schranke die Rechte der anderen, die Natur zur Grundlage und das Gesetz zur Schutzwehr.
  5. Das Recht, sich friedlich zu versammeln, das Recht, seine Meinungen durch die Presse und auf jede andere Art kundzugeben, sind so notwendige Folgerungen aus dem Grundgesetz der menschlichen Freiheit, daß das Bedürfnis, sie zu verkündigen, das Dasein des Despotismus oder die frische Erinnerung an dieselbe voraussetzt.
  6. Das Eigentum ist das Recht jedes Bürgers, nach seinem Belieben den ihm vom Gesetz verbürgten Anteil an Gütern zu verwenden.
  7. Das Eigentumsrecht ist, wie alle Rechte, begrenzt durch die Verpflichtung, die Rechte anderer zu achten.
  8. Es kann weder der Sicherheit, noch der Freiheit, noch der Existenz, noch dem Eigentum unserer Nebenmenschen Eintrag tun.
  9. Jeder Handel, der dieses Prinzip verletzt, ist wesentlich unerlaubt und unsittlich.
  10. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für das Auskommen aller ihrer Mitglieder zu sorgen, sei es nun, daß sie ihnen Arbeit verschafft, oder daß sie den Arbeitsunfähigen Existenzmittel sichert.
  11. Die unentbehrlichsten Hilfsmittel für denjenigen, dem das Nötigste fehlt, sind eine Schuld dessen, der Überfluß hat. Das Gesetz hat die Art der Abtragung dieser Schuld zu bestimmen.
  12. Die Bürger, deren Einkünfte nicht das zur Bestreitung ihres Unterhaltes Nötige übersteigen, sind nicht verpflichtet, zu den öffentlichen Ausgaben beizutragen; die anderen müssen dieselben in gesteigertem Verhältnis, je nach dem Betrag ihres Vermögens übernehmen. (Progressive Einkommensteuer.)
  13. Die Gesellschaft muß mit allen ihren Kräften die Fortschritte der allgemeinen Bildung befördern und den Unterricht allen Bürgern zugänglich machen.
  14. Das Volk ist souverän; die Regierung ist sein Werk und sein Eigentum, die Beamten sind seine Diener. - Das Volk kann seine Regierung beliebig ändern und seine Bevollmächtigten abberufen.
  15. Das Gesetz ist der freie und feierliche Ausdruck des Volkswillens.
  16. Das Gesetz muß für alle gleich sein.
  17. Das Gesetz kann nur verbieten, was dem Gemeinwesen schädlich ist, und nur gebieten, was demselben nützt.
  18. Jedes Gesetz, welches die unverjährbaren Rechte des Menschen verletzt, ist durchaus ungerecht und tyrannisch, es ist kein Gesetz.
  19. In jedem freien Staate muß das Gesetz hauptsächlich die öffentliche und persönliche Freiheit gegen die Gewalt der Regierenden sicherstellen. Jede Einrichtung, welche nicht das Volk als gut und die Behörden als bestechlich voraussetzt, ist fehlerhaft.
  20. Kein Teil des Volkes kann die Macht des ganzen Volkes ausüben; aber der Wunsch, den er ausspricht, muß beachtet werden, als der Wunsch eines Teiles des Volkes, welcher zum allgemeinen Willen beizutragen hat. Jede Abteilung des versammelten Souveräns muß das Recht haben, ihren Willen mit vollständiger Freiheit auszusprechen; sie ist durchaus unabhängig von allen eingesetzten Behörden und befugt, ihre Beratungen selbständig zu ordnen und zu überwachen.
  21. Alle Bürger sind zu allen Ämtern zulässig, ohne einen anderen Unterschied, als den der Tugenden und der Talente, ohne einen anderen Rechtsanspruch, als das Vertrauen des Volkes.
  22. Alle Bürger haben ein gleiches Recht zur Ernennung der Bevollmächtigten des Volkes und zur Bildung der Gesetze beizutragen.
  23. Damit diese Rechte nicht bloßer Schein und die Gleichheit nicht ein Trugbild sei, muß die Gesellschaft ihre Beamten besolden und dafür sorgen, daß die Bürger, die von ihrer Arbeit leben, den öffentlichen Versammlungen, wohin das Gesetz sie beruft, beiwohnen können, ohne ihre eigene oder ihrer Familie Existenz zu gefährden.
  24. Jeder Bürger muß gewissenhaft der Obrigkeit und ihren Agenten gehorchen, wenn sie die Organe oder die Vollzieher des Gesetzes sind.
  25. Aber jede Handlung gegen die Freiheit, gegen die Sicherheit oder das Eigentum eines Menschen, der von irgend jemandem, selbst im Namen des Gesetzes, außer den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen und Formen, begangen wird, ist willkürlich und nichtig; schon die Achtung vor dem Gesetze verbietet, sich ihr zu fügen; und wenn sie gewaltsam vollzogen werden soll, so ist es erlaubt, sie mit Gewalt zurückzuweisen.
  26. Das Recht, an die Inhaber der Staatsgewalt Bittschriften zu richten, steht jedermann zu. Diejenigen, an welche sie gerichtet sind, müssen über den Inhalt derselben erkennen, aber sie können die Ausübung dieses Rechtes niemals verbieten, beschränken oder bestrafen.
  27. Der Widerstand gegen die Unterdrückung folgt notwendig aus den allgemeinen Menschenrechten.
  28. Der ganze Gesellschaftskörper ist unterdrückt, wenn ein einziges seiner Glieder unterdrückt wird. Jedes Glied ist unterdrückt, wenn der Körper unterdrückt wird.
  29. Wenn die Regierung die Rechte des Volkes verletzt, so ist die Empörung das heiligste Recht und die unumgänglichste Pflicht für das Volk und für alle seine Teile.
  30. Wenn einem Bürger der Schutz der Gesellschaft mangelt, so tritt er in den Naturzustand zurück, selbst alle seine Rechte zu verteidigen.
  31. In beiden Fällen ist der sogenannte "gesetzliche Widerstand" gegen die Unterdrückung nur der spitzfindigste Kunstgriff und die schlaueste Maske der Reaktion.
  32. Die öffentlichen Ämter sind weder als Auszeichnungen, noch als Belohnungen anzusehen, sondern als Pflichten gegen den Staat.
  33. Die Vergehen der Beamten müssen streng und schnell bestraft werden. Niemand kann sich für unverletzlicher ausgeben als die ändern Bürger.
  34. Das Volk hat das Recht, alle Handlungen seiner Bevollmächtigten zu kennen; sie müssen ihm genaue Rechenschaft ablegen und sich achtungsvoll seinem Urteil unterziehen.
  35. Die Menschen aller Völker sind Brüder, und die verschiedenen Völker sollen sich gegenseitig nach Kräften unterstützen, wie Bürger eines Staates.
  36. Wer eine Nation unterdrückt ist der Feind aller Nationen.
  37. Diejenigen, welche ein Volk bekriegen, um die Fortschritte der Freiheit zu hemmen und die Rechte der Menschen zu vernichten, müssen überall verfolgt werden, nicht wie gewöhnliche Feinde, sondern wie Meuchelmörder und rebellische Räuber.
  38. Die Aristokraten, die Tyrannen, wer sie auch sein mögen, sind Sklaven, welche sich gegen den Herrn der Erde, genannt Menschengeschlecht, und gegen den Gesetzgeber der Welt, genannt Natur, empört haben.

Beschlossen: Es sollen von den Vereinen Vorschläge über die soziale Reform an den Zentralausschuß eingesandt werden. Der Zentralausschuß wird einen Generalbericht über die eingelaufenen Vorschläge veröffentlichen.

Beschlossen: Die Demokraten Deutschlands aufzufordern, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln der Agitation dahin zu wirken, daß keine Verfassung in Deutschland, weder eines Einzelstaates noch des Bundesstaates vom Volke anerkannt werde, welche nicht nachfolgende unerläßliche Grundsätze freier Staatsverfassung enthalte, ohne deren Verwirklichung die deutsche Revolution nicht als geschlossen zu betrachten ist:

  1. Direkte Urwahlen der Abgeordneten ohne irgendeine Beschränkung der Wahlfreiheit durch Zensus oder Privilegium.
  2. Eine einzige Volkskammer, welche Verfassungsgesetze zu entwerfen und nur Spezialgesetze zu beschließen hat.
  3. Jährlich erneuerte Wahlen.
  4. Durch Majorität der Urwähler entziehbare Mandate.
  5. Vorlage aller Verfassungsgesetze vor die Urversammlungen des Volkes zur Annahme oder Verwerfung nach Stimmenmehrheit aller Urwähler des Landes. (Volksveto.)
  6. Einführung einer demokratischen Gemeindeverfassung nach den Grundsätzen des von D'Ester entworfenen und von der Linken der preußischen konstituierenden Versammlung angenommenen Entwurfs.
  7. Unentgeltliche Abschaffung aller Feudallasten.
  8. Abschaffung aller Privilegien.
  9. Allgemeine Volksbewaffnung.

Beschlossen: Die Demokraten Deutschlands aufzufordern, Erklärungen dieses Inhalts mit massenhaften Unterschriften versehen, an alle Landtage und konstituierende Versammlungen der deutschen Staaten einzusenden.

Beschlossen: Die deutschen Demokraten aufzufordern, eine allgemeine Agitation in ganz Deutschland zu bewirken, welche dahin gehe, daß:

  1. sämtlichen Abgeordneten der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt durch ihre Wähler die Mandate entzogen werden.
  2. daß von den Landtagen oder gesetzgebenden Körpern der einzelnen deutschen Staaten gefordert werde, die für die Diäten jenes Abgeordneten notwendigen Summen zu verweigern, und daß
  3. von den Landtagen und gesetzgebenden Körpern sowohl als von den Regierungen der Einzelstaaten die Anordnung neuer Wahlen zu einem deutschen Parlament und dessen Berufung nach Berlin verlangt werde.

Beschlossen: Die Bürger C. D'Ester, E. Reichenbach und A. Hexamer sind zu Mitgliedern und die Bürger Schnake, Annecke 1., Bayrhoffer, Schramm (Berlin), Gottschalk (Köln), und Erbe zu Stellvertretern in den Zentralausschuß ernannt.

Druck von C. H. Hoßfeld in Leipzig. sowie:
Druck von C. Lauter und Co., Klosterstraße 64.

Letzte Änderung: 28. May. 2001, Adresse: /deutsch/1848/flugblatt16.html