Auf den Ruf: "Die Soldaten wollen nicht abmarschieren; sie haben geschworen, lieber in Wien zu sterben, als gegen die Ungarn zu ziehen", eilten wir zur Taborbrücke hinaus, wo sich das rührendste Schauspiel darbot. Am entgegengesetzten Ende der Taborbrücke standen die braven Grenadiere, fraternisierend mit Volk und den Nationalgarden, die rings aufgestellt waren. Es war halb 10 Uhr vormittags an der Taborbrücke, deren Vorderteil vom Volke zerstört worden war, fuhren 4 Kanonen auf und eine Abteilung vom Regimente Nassau nahm daselbst dem Volke gegenüber eine feindliche Stellung an. General Bredä machte alle Anstalten, die uns auf das schlimmste gefaßt hielten. Die Eisenbahnbrücken standen verbarrikadiert und der Telegraph war zerstört worden. Mittlerweile war ein Soldat gefangen genommen worden, der eine Depesche bei sich trug, die man ihm abnahm und ebenso hielt man 3 Mann Pioniers auf, die abseits in einem Kahne über die Donau zu setzen, sich beeilten. Um 10 Uhr erschien der Abgeordnete Kudlich vor der Taborbrücke und indem er sich auf eine Bank stellte, teilte er dem Volke mit, daß bereits die Linke des Reichtstages beschlossen habe, vom Kriegsministerium zu erwirken, daß er die deutsche Garnison in Wien belasse, da diese nicht feindlich gegen das Volk gesinnt ist. Währenddem reitet ein General heran und kommandiert den Soldaten zum Vorwärtsmarschieren - er wird aber vom Volke ausgepfiffen, die Verbrüderung der Grenadiere, Nationalgarden und Studenten wird noch inniger, da auch die Bauern der nächsten Ortschaft mit Sensen, Hacken und Schaufeln herangezogen kommen. Ein endloser Jubel erfolgte, der bloß dadurch gestört wurde, daß ein Teil der Pioniere unter Anführung eines Offiziers über die Taborbrücke marschierte, welche die Absicht hatten, auch das andere Ende der Brücke zu zerstören, um dem Volke, Bauern, Garden und Soldaten, welche sich anschickten, im Zuge in die Stadt zurückzumarschieren, den Übergang abzuschneiden. Das Volk aber hinderte sie daran. Schon begann sich der Zug im Umwege nach dem Eisenbahn-Damme zu bewegen, um über die Eisenbahnbrücke ungehindert in die Stadt zu gelangen. Da richtete aber auf des Generals Geheiß die Artillerie ihre Kanonen nach der Eisenbahnbrücke, um sie zu zerstören und den Übergang abzuschneiden. Im nämlichen Augenblicke aber fiel Volk, Garden und Studenten über die Kanonen her, entriß 2 derselben und einen Pulverkarren den Kanonieren, die ganz verblüfft über den Mut des Volkes dastanden und sich auch noch eine dritte Kanone nehmen ließen, welche man insgesamt mit einer Riesenstärke auf den Bahndamm hinaufzieht. Während man auch ein viertes Geschütz zu erobern sucht, gibt die Infanterie Feuer. Die ersten Opfer waren Arbeiter. Nun begann es von allen Seiten zu krachen. Die müßigen Zuschauer ergreifen über Zäune und Planken die wildeste Flucht. - Pioniere feuern auf die akademische Legion, diese erwidert todesverachtend den Gruß und weicht nicht von der Stelle.
Der Major der Infanterie stürzt tödlich getroffen vom Pferde das Volk feuert aus einer eroberten Kanone auf das Militär. Die Kavallerie sprengt heran, und sucht mit Einhauen eine Kanone zurückzunehmen, das Volk aber schleudert die Kanone ins Wasser und dringt mit Planken, Spießen und Stangen neuerdings vor. Heftige Steinwürfe verjagen die Reiter.
Ein Kartätschenschuß. Viele fallen. Die Studenten und Nationalgarden stürmen vom Damme herab auf die Infanterie, die sich bis zum Anfang der Taborbrücke zurückzieht; da rücken aber die braven Grenadiere von der anderen Seite der Brücke an und feuern auf die Infanterie los, daß es eine Lust ist. - Im nämlichen Augenblicke stürzt auch General Bredä tödlich getroffen vom Pferde. Heillose Verwirrung unter den Soldaten. Die Infanterie beginnt gegen die Grenadiere auf der ändern Seite ein heftiges Feuer. Umsonst. Das Volk bleibt Sieger, und die Infanterie vom Nassauer Regiment ist beinahe ganz aufgerieben. Von Seiten der Nationalgarden und Studenten sah ich 12 Tote und 24 Verwundete. Von den Arbeitern 10 Tote. Die gefallenen Soldaten konnte ich nicht zählen. Verwundete Soldaten gewahrte ich gegen 70.
Unter lautem Jubel zog man nach 11 Uhr mit den eroberten Kanonen, dem Generalshut und anderen Siegestrophäen in die Stadt, wo die Revolution ihre blutige Fortsetzung machte.
Wien, im Oktober 1848.
A. Schmidt,