Berichte vom Kriegsschanplatz.

No. 1.

Inhaltsverzeichnis. Einleitung. - Der Kampf der Hanauer Turnerwehr bei Hirschhorn. Kampf der Legion der politischen Flüchtlinge bei Hirschhorn. - Kampf bei Schriesheim und Ladenburg. - Die Behandlung unserer Gefangenen von Seite der sogenannten Reichstruppen.

Einleitung.

Der große Kampf zwischen der Demokratie und dem Absolutismus ist nun auch endlich in Deutschland entbrannt. Die Stunden der Entscheidung sind gekommen. Bald muß es sich zeigen, ob wir russisch oder republikanisch sind. Die Blicke und die Hoffnungen Deutschlands, Europas, hängen an dem Freiheitsheer in Baden. Bis jetzt haben sich unsere Kämpfer ihrer heiligen Sache würdig gezeigt, das Beispiel der Magyaren braucht uns nicht mehr zu beschämen.

Die Reaktion ist natürlich bemüht, unsern Standpunkt zu verrücken, und unsern Kampf in den Kot zu ziehen. Täglich werden die infamsten Gerüchte verbreitet. Um der Lüge und Verleumdung entgegenzutreten, werden wir von nun an wahrheitsgetreue, authentische Berichte herausgeben, die das Publikum über die Lage der Dinge aufklären sollen. Womöglich werden täglich solche Berichte erscheinen. Die Redaktionen der demokratischen Blätter sind ersucht, das ihrige zur Verbreitung der Wahrheit zu tun.

Der Kampf der Hanauer Turnerwehr bei Hirschhorn.

Den 13. Juni, morgens 4 Uhr, rückte die Schützenkompagnie der "Hanauer Turnerwehr" in dem hessischen Städtchen Hirschhorn ein und besetzte unter Leitung des Kommandeurs Woynicki das dortige Schloß. Es wurden sogleich alle möglichen Verteidigungsmaßregeln, für den Fall eines Angriffs, getroffen: die äußeren Tore verbarrikadiert, Schießscharten ausgebessert und neue angelegt, und alsdann den 140 Büchsenschützen ihre Plätze angewiesen. - Drei Tage und zwei Nächte erwarteten wir mit ausdauernder Wachsamkeit den Feind. Da endlich, den 15. abends 6 Uhr, kündigten die äußersten Vorposten dessen Heranrücken an. Kommandeur Woynicki, nachdem er sich von der Wahrheit dieser Anzeige persönlich überzeugt, ließ das Zeichen geben, um die äußern Posten einzuziehen, untersuchte alle innern Posten und so erwarteten wir gefaßt die Gegner. Bald zeigten sich die kurhessischen Tirailleure, die, sobald sie unserer Feldwache ansichtig wurden, auf sie feuerten. Die Feldwache erwiderte das Feuer und zog sich fechtend zum Schloß hinauf. Unmittelbar nach der Avantgarde folgten zwei Geschütze, welche die Stellung einnahmen, die soeben unsere Feldwache verlassen. Die Avantgarde rückte an gegen die Mauern des Schlosses. Ein lebhaftes, wohlgezieltes Feuer unserer Schützen schmetterte viele zu Boden. Die zwei Geschütze gaben eine Charge, die hoch über den Turm des Schlosses hinausging. Unter kräftigem Hurra unserer Schützen stürzten 3 Pferde an einer Kanone und einige Artilleristen. Weitere Kompagnien Kurhessen rückten heran und ein Bataillon Bayern. Kaum biegen sie um die Ecke, so stürzt der bayrische Major wohlgetroffen vom Pferde. Die Bayern eröffneten ein lebhaftes Peletonfeuer; noch zwei Geschütze wurden aufgefahren. Die Kugeln sausten zu Hunderten über die Köpfe unserer Schützen. Aber mit kräftigem Hurra hielten sie alle Chargen aus und entsendeten ihre Kugeln so sicher, daß in zwei und einer halben Stunde der Feind cirka 50 Tote und wohl doppelt soviel Verwundete zählte. Die Kurhessen wollten nicht mehr angreifen; die Bayern liefen schon davon, als von dem Gebirge dem Schloß gegenüber unter Trommelschlag eine kleine Abteilung Volkswehr zu unserer Hilfe anrückte. Da wurde die Flucht allgemein, so daß 1 600 Mann mit 4 Geschützen davonliefen wie die Hasen. Auch die dritte Nacht hielt unsere kleine Mannschaft auf ihrem Posten mutig aus. Als aber den vierten Morgen die Mannschaft, ohne Aussicht auf Entsatz, ohne die gehörige Munition, ohne den nötigen Proviant, ermüdet an ihren Plätzen niedersank, da ließ sich endlich unser tapferer Kommandeur bewegen, einen Ausfall zu wagen, um wenigstens seine Mannschaft zu retten. Mit blutendem Herzen verließ er diese Position, die er so tapfer verteidigt. In wohlgeordneten Reihen marschierten wir zum Tor hinaus und gelangten unangefochten nach Eberbach.

Kampf der Legion der politischen Flüchtlinge bei Hirschhorn.

Die unter J. Ph. Becker stehende Legion der deutschen Arbeiter und Flüchtlinge, welche vor kurzem den Karlsruher Spießbürgern so panischen Schrecken eingeflößt, hat bis jetzt schon mehrfach Gelegenheit erhalten, ihre militärische Tüchtigkeit zu beweisen.

In den unwegsamsten und ungastlichsten Gegenden des Odenwaldes, bei größtenteils ungünstiger Witterung, unter Mangel und Entbehrungen jeder Art verloren diese eisenfesten Männer niemals den Mut und die Heiterkeit.

Von verschiedenen kleinen Vorpostengefechten, in deren einem der Prinz von Mecklenburg getötet wurde, will ich hier nicht reden. Nur einige Worte über die glänzende Waffentat, welche unsere Legion vor einigen Tagen ausführte:

Das Hauptquartier Beckers sollte den 15. Juni von Heddesbach nach Hirschhorn in das Hessische verlegt werden, wo schon 142 Hanauer Schützen auf dem Schlosse postiert standen. Keines Feindes gewärtig, rückten die Unseren vor. Unterwegs kam die Nachricht, daß eine Abteilung von 2000 Kurhessen, Bayern und Mecklenburger bereits in Hirschhorn eingerückt sei.

Obschon wir nicht mehr als 500 Mann zählten (es war nur ein Detachement, alle übrigen Truppen, welche unter Beckers Kommando standen, waren zur Besetzung der Pässe von Weinheim bis Heddesbach verwendet), ließ Becker, der seiner Krieger vollkommen würdig ist, vorwärts gehen. Schon auf dem Marsche hörten wir Kleingewehrfeuer. Unsere wackeren Hanauer Brüder waren im Kampfe mit der Überzahl. Obgleich wir weder Geschütz noch Reiterei hatten, ging es im Sturmschritt vorwärts. Vor dem Städtchen war der Feind zu unserem Empfang aufgestellt. Mit kampfmutigem Hurra stürmte unsere kleine Schar voran, die Führer Becker und Böning an der Spitze. Die Nacht war so dunkel, daß man nur beim Blitzen des Peletonfeuers die feindlichen Reihen erblicken konnte. Dreimal wiederholten die Unsern den Angriff, ohne Verwirrung hielten sie dem Kartätschen- und Gewehrfeuer auf 10 Schritte stand, und beim dritten Mal gelang es, den Feind mit bedeutendem Verlust aus seiner günstigen Stellung zu vertreiben.

So gut es bei der Nacht möglich war, unterstützten uns die Hanauer Schützen. Anfangs hatten unsere Führer im Sinn, den Feind zu verfolgen, aber bei dem gänzlichen Mangel an Artillerie und unserer geringen Anzahl mußte dies Vorhaben aufgegeben werden. An Toten haben wir leider 5 zu beklagen, verwundet wurde ungefähr die dreifache Anzahl.

Der Verlust der Feinde war wohl mehr als zehnfach so groß und hätte das Dunkel der Nacht den Feind nicht geschützt, so wäre wohl kein Mann davongekommen.

Die wichtigste Folge dieses Sieges bestand darin, daß das ganze feindliche Truppenkorps durch denselben vollständig demoralisiert wurde. Schon im Gefecht weigerten sich übrigens die Kurhessen entschieden, gegen ihre deutschen Brüder zu kämpfen, trotz allen Schimpfreden der Offiziere. Einer der Schwerverwundeten gab sich zu erkennen als Freund der Freiheit und rief sterbend: "ich wollte zu Euch übergehen, jetzt ist es aber zu spät. Ein Bruder von mir steht bei Euch."

Bei dieser Gelegenheit, wie bei den glorreichen Siegen der letzten Tage, hat es sich zur Genüge gezeigt, wie freiheitsbegeisterte Männer auch einen an Zahl und sogenannter militärischer Bildung überlegenen Feind schlagen müssen, wenn die Oberleitung, wie bei uns, eine der Kämpfer würdige ist. Mit solchen Truppen und solchen Führern werden und müssen wir siegen.

Kampf bei Schriesheim und Ladenburg.

Unter den zahlreichen Gefechten, welche am gestrigen Tage, dem 16. Juni, stattfanden, verdient dasjenige, welches bei Schriesheim und Ladenburg geschlagen wurde, besonders hervorgehoben zu werden.

Oberst Thome führte daselbst den Befehl. Er führte das Zentrum und den linken Flügel, während Hauptmann Mögling den rechten Flügel leitete.

Die Schlachtlinie dehnte sich von dem Berge bei Schriesheim bis an die Eisenbahn aus. Im Zentrum standen die Geschütze mit hinreichender Bedeckung von Fußvolk und Reiterei.

Nach einem lebhaften Gefecht wurde der Feind zuerst von dem rechten Flügel der Unsrigen zurückgetrieben, worauf Oberst Thome den Hauptrnann Mögling mit einer Schwadron Reiterei, zwei Stück Geschützen, zwei Kompagnien des Leib-Regiments und dem Karlsruher Bataillon nach Ladenburg entsendete.

Hier entspann sich ein dreistündiger Kampf, bei welchem sich namentlich die Artillerie hervortat, während die übrigen Truppen sich gleichfalls tapfer hielten.

Um 4 Uhr rückten die Mannheimer Volkswehr und die Turner von Neckarhausen mit 4 Geschützen heran, eröffneten ein wohlgenährtes Gewehr- und Kartätschenfeuer gegen den Feind und stürmten um 7 3/4 Uhr unter lautem Hurraruf über die Ladenburger Brücke. Das Leib-Infanterieregiment folgte den wackeren Mannheimern nach. Dem vereinigten Andrängen der von Schriesheim und Neckarhausen herbeigekommenen Truppen des Freiheitsheeres vermochte der Feind nicht standzuhalten. Derselbe war bei Ladenburg beiläufig 2500 Mann stark, darunter 950 Mecklenburger und 1500 Hessen mit 3 Geschützen. Der Verlust der Feinde war nicht unbedeutend. Die Mannheimer allein töteten ihnen 20 bis 30 Mann, unter diesen den Obersten Roggenbach, einen Hauptmann und einen Leutnant, nahmen 40 Mann gefangen und erbeuteten 8 Pferde. Am Morgen desselben Tages war bereits ein feindlicher Hauptmann gefangen worden. Von den 950 Mecklenburgern, welche nach Ladenburg eingerückt waren, kamen nur 240 Mann zurück, die übrigen wurden gänzlich zersprengt.

Die Truppen des Freiheitsheeres zeichneten sich nicht bloß durch ihre Tapferkeit, sondern auch durch die Milde aus, welche sie nach erkämpftem Siege gegen die Feinde an den Tag legten. Das letztere kann leider nicht von den Truppen des verbündeten Fürsten-Heeres gerühmt werden. Sie erlaubten sich Mißhandlungen, Plünderungen und selbst die Tötung von Verwundeten, welche in ihre Hände fielen. Die Entrüstung über diese Schandtaten ist groß bei Bürgern und Wehrmännern und die Folgen dieses grausamen Verfahrens werden nicht ausbleiben.

Die Behandlung unserer Gefangenen von Seite der sogenannten Reichstruppen.

Beim Angriff auf Käfertal, den 15. Juni, gerieten der Frueni Cavalli, ein Dragoner, ein Artillerist und ein Soldat vom 4. Regiment in die Hände der hessischen Cheveaulegers. Sie wurden sofort an eine Kanone gespannt und mit Säbelhieben gezwungen, dieselbe fortzuziehen. Besonders tätig war dabei ein jetzt gefangener Rittmeister. Unsere Gefangenen wurden später wieder befreit, aber die erlittenen Mißhandlungen waren so groß, daß der Dragoner und Infanterist nach kurzer Zeit ihren Geist aufgaben. Einige Soldaten und 2 Mann von der Musik, welche gleichfalls gefangen waren, liegen jetzt noch infolge der brutalen Behandlung schwerkrank darnieder. Einige andere wurden mit Schlingen um den Hals im scharfen Trabe von den Reitern mit fortgerissen.

Vergleichen wir hiermit die menschliche Behandlung der feindlichen Gefangenen von unserer Seite, so sehen wir zur Genüge, daß es nicht bloß Phrase ist, wenn wir unsern Kampf als den der Humanität gegen die Barbarei bezeichnen. Wir wollten die Schuld der oben bezeichneten Handlungen nicht auf die Soldaten schieben. Unser Fluch und der Fluch der Geschichte trifft die Niederträchtigen, welche unsere heldenmütigen Krieger als Meuterer und unsere freiheitsbegeisterten Volkskämpfer als verächtliches Gesindel hinstellen. Sie haben den Blick der uns leider gegenüberstehenden Truppen getrübt, und wir bedauern es nur, daß unsere deutschen Brüder sich so unselig haben verblenden lassen.

Um das Mißverständnis zu heben, haben unsere Truppen folgende Proklamation erlassen:

An die hessischen Soldaten.

Mit tiefster Entrüstung haben wir gesehen, daß mehrere von unseren Kameraden von Euch aufs furchtbarste mißhandelt, ausgeplündert und selbst nach ihrer Gefangennahme getötet worden sind. Wir unsererseits haben die Hessen, welche in unsere Hände fielen, als Brüder aufgenommen, haben für ihre Bedürfnisse Sorge getragen und uns bemüht, ihr Los zu mildern. Allein länger können wir die an unsern Brüdern verübten Grausamkeiten nicht dulden. Wir wissen, daß es die landesflüchtigen und treubrüchigen badischen Offiziere sind, welche Euch, hessische Soldaten, zur Wut und zum Hasse gegen uns entflammen. Laßt Euch nicht verführen. Grausamkeit schändet den Krieger, am meisten wenn sie verübt wird im Kampfe mit den Söhnen eines und desselben Landes. Darum rufen wir Euch zu: Höret auf, den Krieg gegen uns mit Schandtaten zu besudeln! Es würde uns schmerzlich sein, von Euch gezwungen zu werden, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Das Vaterland aber wird richten zwischen uns, den Verteidigern der Freiheit, und Euch, den Kämpfern für Fürstenanmaßung.

Heidelberg, 18. Juni 1849.

Die Soldaten des Freiheitsheeres.

Druck von G. Mohr in Heidelberg.


Letzte Änderung: 27. May. 2001, Adresse: /deutsch/1848/flugblatt30.html