Freiheitsrede des dermaligen ungarischen Ministers
Kossuth Layos, siegreichen Vorkämpfers für Volksrechte

Deutsch vorgetragen von dem
Juristen Putz aus Tyrol
am 13. März 1848,
am Brunnen, im Hofe des Ständehauses.

Zur Erinnerung
an die, durch diese Rede hervorgerufene,
beispiellos folgenreiche Begeisterung.

Aufgenommen und herausgegeben von J. B. Mauß.

Ich sprach schon bei Eröffnung des Landtages meine Überzeugung aus, daß wir solange nicht vollkommen beruhigt sein können über die Zukunft unseres Vaterlandes, solange unsern König nicht auch in allen übrigen Regierungsverhältnissen konstitutionelle Verfassungen umgeben. - Ich sprach meine Überzeugung aus, daß auch in Hinsicht jener Reformen, die die Nation erwartet, unser Vaterland nicht gesichert, und ihr Erfolg der Freiheit unserer Nation nicht entsprechend sei, solange das Regierungssystem der mit uns unter einem Monarchen stehenden Nationen der Konstitution stracks entgegengesetzt, solange jener Staatsrat, der die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Monarchie ordnet und auch auf die Innern Angelegenheiten unseres Vaterlandes, wenn auch gesetzwidrig, aber dennoch einen überwiegenden Einfluß übt, sowohl in seinem Prinzip als Verfassung und Tendenz antikonstitutionell ist. - Ich sprach meine Überzeugung aus, daß die Ausgleichung der Interessen, die zwischen uns und den übrigen Nationen der Monarchie obwalten, ohne den Verlust unserer Selbständigkeit, Freiheit und unseres Wohlstandes nur durch eine, allgemeine Gefühle verschwisternde Konstitution ausgeglichen werden kann. - Ich warf einen traurigen Blick auf den Ursprung und die Fortpflanzung des Wiener büreaukratischen Regierungssystems, ich berührte, wie sie das Gebäude ihrer erlahmenden Macht auf den Ruinen der unterdrückten Freiheit unserer verbrüderten Nachbarn errichtete, und herzählend die unglücksschweren Folgen dieses unheilvollen Regierungs-Mechanismus und hineinschauend in das Buch des Lebens, wo die fatummäßige Logik der Vorfälle die Enthüllung der Zukunft ankündigt, prophezeite ich in treuer Anhänglichkeit an die Dynastie, daß derjenige der zweite Gründer des Hauses Habsburg werde, der die Monarchie in konstitutioneller Richtung reformieren und den Thron des erhabenen Hauses auf die Freiheit seiner Völker unerschütterlich erbauen wird. - Seit diesen Worten sind Throne, durch Weisheit gestützt, zusammengestürzt, und Völker haben ihre Freiheit errungen, deren so nahe Zukunft sie vor drei Monaten nicht einmal träumten. Und wir wälzen seit drei Monaten unermüdet den Stein des Sisyphus und der Schmerz über die Unbeweglichkeit umhüllt meine Seele mit drückender Bangigkeit. Mit blutendem Herzen sah ich, wie so viele edle Kraft, so viele große Fähigkeiten an einer undankbaren Arbeit sich abschwitzen, die den Qualen einer Tretmühle gleichkommt. Ja, auf uns ruht der schwere Fluch eines erstickenden Qualms, aus der Beinkammer des Wiener-Systems weht eine verpestete Luft auf uns, die unsere Nerven lähmt und sogar unsern Geistesflug bannt. - Wenn mir aber bis jetzt nur deshalb bangte, weil es schmerzlich ist, des Wiener-Systems wegen unsern Fortschritt mit unersetzlichem Schaden unseres Vaterlandes über die Maßen gehemmt zu sehen, und weil ich sah, daß die konstitutionelle Richtung unseres Fortschrittes nicht gesichert sei, und weil ich sah, daß jene Divergenzen, die zwischen der absolutistischen Tendenz des monarchischen Systems und der konstitutionellen Richtung der ungarischen Nation seit drei Jahrhunderten bestehen, die heute noch nicht ausgeglichen sind, und, ohne die eine oder andere Richtung aufzugeben, nicht ausgeglichen werden können, so bangt mir nicht deshalb jetzt, sondern darum, daß jene Politik der büreaukratischen Unbeweglichkeit, die in dem Wiener-Staatsrat sich verknöcherte, die Monarchie in eine Auflösung wälzen, und die Zukunft unserer geliebten Dynastie in Frage stellen muß. Wenn wir die Zerwürfnisse so weit gedeihen ließen, daß nur zwischen Verneinung und Opfern gewählt werden kann, deren Ende nur Gott sieht, dann ist die Reue zu spät, den untätig verscherzten Augenblick gibt kein Gott zurück. - Ich will die Verhältnisse, wie sie in der Monarchie und im Auslande obwalten, nicht zeichnen, denn sie sind ohnedies bekannt, aber meine feste Überzeugung will ich aussprechen, daß die wahre Quelle aller Wirren im Wiener-Regierungssystem liege, und mit Bangigkeit spreche ich die Überzeugung aus, daß dieser verkehrten Politik, die mit den Interessen der Nation und den rechtmäßigen Forderungen einer vernünftigen Freiheit schnurstracks entgegengesetzt ist, anzuhängen, so viel hieße, als die Zukunft der Dynastie zu kompromittieren! Widernatürliche politische Systeme, die dadurch, daß sie lange dauerten, an Kraft nicht gewannen, sondern verloren; und endlich kommt der Augenblick, wo es gefährlich wäre, sie noch länger aufrechthalten zu wollen; denn ihr langes Leben hat sie zum Tode reif gemacht. Anteil kann man am Tode nehmen, aber ihm ausweichen nicht! Ich weiß es, daß es schwerfällt sowohl einer veralteten Politik als einem alten Manne sich von der Idee eines langen Lebens zu trennen, ich weiß es, daß es schmerzlich ist, ein Stück nach dem andern einstürzen zu sehen, von dem Gebäude, das ein langes Leben aufbaute, wenn aber das Fundament schlecht war, ist das Fatum des Einsturzes unausweichlich, und auf uns, denen die Vorsehung das Schicksal einer Nation anvertraute, können die Schwächen eines Sterblichen keinen Einfluß üben. - Ewig möge das Vaterland bestehen und ewig der Glanz jener Dynastie, die wir als unser Herrscherhaus anerkennen. Die Männer der Vergangenheit werden in einigen Tagen ins Grab gehen, aber der hoffnungsvolle Sproß des Hauses Habsburg Franz Josef, der bei seinem ersten Auftreten die Liebe der Nation erwarb, erwartet das Erbe eines glänzenden Thrones, der seine Kraft aus der Freiheit schöpfen, und den man in seinem Glanze bei diesem unglücklichen Mechanismus der Wiener Politik schwer erhalten wird. Die Dynastie muß also zwischen ihrem eigenen Wohle und der Erhaltung eines entarteten Regierungssystems wählen, und dennoch fürchte ich, wenn die loyale Äußerung der Nation nicht dazwischen tritt, daß die verknöcherte Politik in einer neuen Ausgabe der in Gott seligen heiligen Allianz auf Rechnung der Dynastie noch einige Tage fortzuvegetieren suchen wird. Sie, die nichts zu vergessen pflegen, vergessen das eine gern, daß nämlich auch bei der ersten Auflage der heiligen Allianz nicht diese es war, die die Throne rettete, sondern die Begeisterung der Völker, eine Begeisterung, deren Grundlage das Versprechen der Freiheit war, dies Versprechen aber wurde nicht eingelöst. Für eine Dynastie, die sich auf die Freiheit ihrer Völker stützt, wird immer Begeisterung entstehen; denn von Herzen treu, kann nur ein freier Mensch sein; der gedrückt wird, dienet, wie er eben muß; - für eine Bureaukraten-Herrschaft kann keine Begeisterung entstehen. Leben und Blut können die Völker hingeben, aber für die drückende Politik eines entarteten Regierungssystems wird sich nicht einmal ein junger Spatz totschießen lassen. Übrigens wenn es einen in Wien gibt, der im Interesse der Macht seiner wenigen Tage, auf Rechnung der Dynastie mit der Allianz absoluter Mächte liebäugelt, so soll er doch bedenken, daß es Mächte gibt, mit denen es besser ist in Feindschaft, denn in Freundschaft zu leben. Ja es ist meine feste Überzeugung, daß die Zukunft der Dynastie von der Verschmelzung der verschiedenen Nationen der Monarchie abhänge, diese Vereinigung kann nur mit Berücksichtigung der verschiedenen Nationalitäten durch das Band einer die Gefühle verschwisternden Konstitution geschaffen werden. Büros und Bajonette sind ein elendes Verbindungsmittel. Ich werde in meinem Vorschlage, den ich machen will, vom dynastischen Gesichtspunkte ausgehen, und Gott sei Dank, daß dieser Gesichtspunkt mit den Interessen unseres Vaterlandes in Verbindung steht. Und jetzt schlage ich vor, eine Repräsentation an Seine Majestät ohne alle weitere Motivierung, deren Inhalt sein soll: daß die Stände für die gesamte Monarchie eine den verschiedenen Nationalitäten angemessene Konstitution und für Ungarn ein verantwortliches Ministerium verlangen.


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