Der Sturm, der mit wachsender Gewalt das königliche Schloß umbrauste, konnte nicht länger überhört werden, und hätte man die Ohren verstopfen wollen, der Ruf von Österreich wäre hindurchgedrungen, daß Preußen jetzt vereinzelt in Deutschland dastehe, daß es die Gewalt der Ereignisse bei weitem überholt, und seine Stellung gänzlich unhaltbar geworden sei. Aus diesem Gefühle ging auch der Entschluß hervor, es zum Kampf auf Tod und Leben kommen zu lassen, und dieser gänzliche Wechsel in der inneren Gesinnung prägte sich auch blitzschnell in der äußeren Erscheinung der Stadt aus. Es wurden sogleich Barrikaden, die sich in wenigen Stunden über die ganze Stadt ausdehnten, bis zur Zahl von 5 000 errichtet, dann wurde mit allen Glocken Sturm geläutet, das Straßenpflaster aufgerissen, mehrere Straßen mit Glasscherben bestreut, spitziges Eisen in den Boden getrieben, um der Reiterei den Weg unmöglich zu machen. Steine wurden auf die Dächer geschafft und sogar abgedeckt, siedendes Wasser und Öl war in Bereitschaft. Leute jeden Alters, Geschlechts und Standes waren dabei, und nur beim Heranrücken des Militärs entfernten sich Frauen, Kinder, Greise in die Häuser, alles Bereitgehaltene herabzuschleudern. Mit der Beleuchtung der Häuser verfuhr man in der Weise, daß die Fenster des zweiten Stockes beleuchtet wurden, sobald die Kämpfer Licht oder Dunkelheit bedürften, wenn ihr Rückzug sie den Blicken des verfolgenden Feindes entziehen sollte. Die Kämpfer anlangend, so erblicken wir unter ihnen Studenten, Schriftsteller, Künstler, junge Beamte und Arbeiter; Polen mögen wenige als Mitkämpfer gefehlt haben. Die Schützen-Gilde machte eine, am besten bewaffnet und im Gebrauch der Gewehre große Wirkung. Eines der hitzigsten Gefechte war bei der Barrikade in der Breitenstraße, unfern des köllnischen Rathauses! Der Kampf währte drei Stunden, fünfmal lief das Militär dagegen Sturm, 4 Offiziere und 30 Mann wurden getötet; es wurde mit Kartätschen dagegen geschossen, aber erst, nachdem fortwährend neue Truppen herbeigezogen waren, wurden die Verteidiger überwältigt. Jedoch im Rücken waren neue Barrikaden errichtet, und die ihnen nachdrängenden Truppen mit Steinhagel vom köllnischen Rathause empfangen. Und als Mangel an Waffen wurde, so sind gleich mehrere Kasernen, Waffenläden und wo man nur Waffen hoffte, erstürmt worden. Die einzeln auf der Straße getroffenen Offiziere und Soldaten wurden entwaffnet. Am mörderischsten war der Kampf am Landwehrzeughaus in der Lindenstraße, bei dessen Verteidigung sich besonders zwanzig Offiziere auszeichneten, welche von den Fenstern aus ein wohlgezieltes Feuer gegen die Anstürmenden unterhielten. Letztere wurden von einem Arbeiter aus Halle, namens Hesse, angeführt, der, jede Gefahr kühn verachtend, den Kampf unnachlassend fortsetzte. Da es seinem Haufen jedoch gänzlich an Feuerwaffen fehlte, so wurden mehrere Bürgerschützen herbeigeholt, welche die Verteidiger von den Fenstern vertrieben und es dem braven Hesse und seinen Gefährten möglich machten, die Türen zu sprengen und in das Innere einzudringen. Fast durch die ganze Nacht hat der Streit gedauert, und der vorgefundene Waffenvorrat kam schon zu spät, um bei dem bald beendeten Blutbad noch wirksame Dienste zu leisten. Nun wurde das Militär von allen Posten entfernt, Bürger, Studenten und Arbeiter besetzten das Schloß und alle öffentlichen Gebäude. Einen schauerlichen Eindruck machten die Leichen der Gefallenen, jedes Haupt mußte sich entblößen. Die Zahl der Gefallenen, die öffentlich bestattet wurden, war 155; viele Familien beerdigten die ihrigen abgesondert; die Verwundeten wurden im Schloßgebäude unter der Königin Aufsicht aufs beste verpflegt, 700 verwundet, von denen viele starben. Der Verlust des Militärs wird auf 1 590 gerechnet. Den 22. März ertönten alle Glocken der Stadt zum Aufbruch des Zuges, der sich um 2 Uhr in Bewegung setzte, wobei die Särge von Jungfrauen mit Blumen und Kränzen, Bürgergarden, Studenten, Arbeitern mit Fahnen begleitet wurden. Tränen waren in aller Augen.
Gedruckt bei M. Leil, Leopoldstadt, Weintraubengasse Nr. 503