Kapitel 5 |
II. Der Antimilitarismus im Auslande unter besonderer Berücksichtigung der Jugendorganisationen
Die antimilitaristische Bewegung in den außerdeutschen kapitalistischen Ländern ist meist eine lebhafte, mehrfach eine sehr starke. Das gilt in erster Linie von den romanischen Ländern, von Belgien, Frankreich und Italien, nicht minder aber, wenn auch erst in neuerer Zeit und unter wesentlich andern Bedingungen, auch von Österreich, der Schweiz und den skandinavischen Ländern, selbst von Holland, obwohl es nur mäßige Ansätze von Militarismus hat.
In Belgien ist die besondere antimilitaristische Propaganda etwa seit dem Jahre 1886 aufgekommen, in dem das Militär, wie oben geschildert, in großem Umfang bei Streiks eingriff. Nachdem zunächst in Flugblättern die Soldaten an ihre Pflichten gegenüber ihren Arbeitsbrüdern erinnert worden waren (1), wurden zwei antimilitaristische Blätter, "Le Conscrit" und "La Caserne" ("Der Ausgehobene" und "Die Kaserne") (2), gegründet, von denen das erstere stets im Januar (vor der im Februar stattfindenden Losziehung) und das zweite im September (vor der am 1. Oktober stattfindenden Einberufung) erscheint, und zwar beide französisch und flämisch (als "De Loteling" und "De Kazerne"). (3) Im Jahre 1896 übertrug die Partei die Herausgabe beider Zeitungen der 1894 geschaffenen Nationalföderation der Jungen Garden (4), allerdings unter Kontrolle der Parteileitung, in die übrigens seit 1896/1897 auch die Nationalföderation der Jungen Garden ihre Delegierten entsendet. Die Jungen Garden, von denen einzelne bereits Mitte der achtziger Jahre in Brüssel entstanden waren, wurden 1893/1894 in erster Linie gegründet zur Wahlhilfe und als Träger der besonderen antimilitaristischen Propaganda. Seit dem Jahre 1902 veränderte sich dies. Die durch den mißlungenen zweiten Generalstreik herbeigeführte Ernüchterung drängte zu vorsichtiger, langsamer Arbeit, zu einer intensiveren Pflege der Wurzeln aller Organisationen und Propaganda. Die Zwecke der Jugendorganisationen wurden erweitert und die Förderung der Bildung, zweifellos die solideste oder besser die grundlegende Art der antimilitaristischen Propaganda, in den Vordergrund gestellt. So verführerisch es auch sein mag, es ist hier unmöglich, auf die Geschichte der belgischen Jugendorganisationen, die aufs engste mit dem Antimilitarismus verknüpft ist, einzugehen. (5)
2 Über deren Tätigkeit vgl. "Le procès de la caserne", Volksdrukkerij, Gent 1905.
3 "De Loteling" und "De Kazerne" seit 1887, "La Caserne" seit 1893, "Le Conscrit" seit 1899.
4 Die flämischen Organe wurden in die Hände der flämischen Föderation der Socialistischen Jongen Wachten in Gent gelegt.
5 Vgl. Housiaux in "Die Neue Zeit", 22. Jahrgang (1903/04), 2. Bd., S. 110 ff. und die zerstreuten Kongreßberichte. Drei Provinzföderationen bestehen; die flämische (etwa 1 000 Mitglieder), die Brabanter (etwa 500 Mitglieder) und die wallonische (etwa 8 000 Mitglieder), die letztere im September 1905 gegründet. Der Lütticher Kongreß von 1905 hob den Nationalrat auf, der 1906 etwas verändert rekonstruiert wurde (die flämische und wallonische Föderation wählen je einen Vertreter; der Nationalkongreß den dritten [Nationalsekretär]).
Nur einige Striche seien erlaubt: Seit 1896 erschien in Brüssel die antimilitaristisch gerichtete "Avant-Garde" als Monatsorgan der Studierenden und der Jungen Garden; seit 1900 ebenfalls in Brüssel der "Antimilitariste" als Monatsorgan der Nationalföderation der Jungen Garden. (1) Seit 1905 gab die letztere monatlich die illustrierte Bildungszeitschrift "La Jeunesse Socialiste" ("Die Sozialistische Jugend") heraus, an deren Stelle im Januar 1907 die jetzt in den Händen der wallonischen Föderation von Hainaut und Namur liegende, seit Januar 1906 in Charleroi erscheinende Monatszeitschrift "La Jeunesse c'est l'Avenir" (2) ("Die Jugend ist die Zukunft") treten wird. (3) Beide waren und sind mit antimilitaristischem Agitationsstoffe angefüllt. Das gleiche gilt von dem flämischen "De Zaaier" ("Der Sämann"), einer seit 1905 im Auftrag der Nationalföderation von der Jongen Wacht Antwerpens herausgegebenen illustrierten Monatsschrift, die seit 1906 mit der allgemeinen flämischen Parteizeitschrift "De Waarheid" (seit 1902 in Gent erscheinend) zusammengeschmolzen ist, aber noch einen besonderen Teil dieser Zeitschrift mit dem Untertitel "De Zaaier" bildet. "De Waarheid" hat eine Auflage von 3 000, "La Jeunesse c'est l'Avenir" von 5 000.
2 Deren Vorgängerin war die Zeitschrift "Contre le Militarisme, pour le Socialisme" ("Gegen den Militarismus, für den Sozialismus").
3 In einem Umfang von 16 Seiten!
Lebhaft beteiligen sich literarisch und speziell antimilitaristisch auch einzelne Lokalorganisationen der Jungen Garden, vor allem die Jongen Wachten von Antwerpen und Gent. Die erstere ließ zum Beispiel 1900 die Zeitung "De Bloedwet" ("Das Blutgesetz") zur Agitation unter den zur Fahne einberufenen Mannschaften (also zu gleichem Zweck wie "Die Kaserne") erscheinen, ferner seit dem 1. Mai 1901 die Halbmonatsschrift "Ontwapening" ("Abrüstung") und schließlich seit 1905 "De Vrijheid" ("Die Freiheit"), sämtlich der antimilitaristischen Aufklärung mit Eifer und Geschick obliegend. Daneben werden hektographierte Bulletins herausgegeben. Natürlich arbeiten die Jungen Garden auch eifrig mit Flugblättern und meist illustrierten Plakaten (1), die sich bald an die ganze Arbeiterjugend, bald speziell an die Ausgehobenen und die Soldaten wenden. Auch eine reiche Broschürenliteratur liegt vor. Sehr billige Postkarten mit antimilitaristischem, meist illustriertem Inhwerden in großen Mengen vertrieben.
In Belgien wird mehr als die Hälfte der waffenfähigen jungen Leute freigelost. Jährlich werden etwa 15 000 Mann ausgehoben. "Le Conscrit" und "La Caserne" erscheinen flämisch und wallonisch zusammen in der Regel in Auflagen von je 60 000. (2) Sie werden den Rekruten, deren Adressen leicht beschafft werden, gewöhnlich speziell zugesandt; auch sonst wird unter den so bekannt gewordenen Rekruten persönliche Propaganda getrieben.
1906 wurden bei der Losziehung rund 20 000 Anklebezettel mit Sprüchen auf den Straßen angeklebt und 80 000 antimilitaristische illustrierte Plakate vertrieben.
2 1906 "Le Conscrit" in Auflage von über 68 000; "De Loteling" etwa 50 000; "La Caserne" in etwas geringerer Zahl. 1905 wurden von "La Caserne" aus besonderen Gründen 100 000 Exemplare verbreitet!
Im Januar und September finden regelmäßig Versammlungen für Rekruten, Rekrutenfeste, Umzüge und Demonstrationen aller Art statt.
Die Fühlung mit den eingezogenen Proletariern geht nicht verloren. In einigen Garden ist ein militärisches Unterstützungswesen eingerichtet: Je nach der Dauer der Zugehörigkeit zu den Garden und der Höhe der dort geleisteten Beiträge wird den eingezogenen Mitgliedern der Jungen Garden während ihrer Dienstzeit ein Zuschuß gegeben, für den diese Mitglieder wiederum verpflichtet sind, regelmäßige Berichte über ihre wesentlichen Kasernenerlebnisse zu senden. Auch persönlich bleiben die eingezogenen Mitglieder in Verbindung mit den Garden, und zwar wird diese Verbindung, wenn das betreffende Mitglied nicht an dem Orte der besonderen Organisation, der es angehört, verbleibt, mit derjenigen Organisation angeknüpft, die sich an dem Garnisonsorte des Mitgliedes befindet. Auf Einzelheiten kann hier aus begreiflichen Gründen nicht eingegangen werden.
Die Agitation in den Kasernen spielt in Belgien eine bedeutsame Rolle. Es existieren gegenwärtig etwa 15 Soldatenorganisationen (Soldatenbünde), die miteinander in Verbindung stehen. Natürlich sucht man den gefährlichen Brand mit allen Mitteln zu ersticken. So oft sie aber auch gewaltsam unterdrückt wurden, stets wuchsen sie aus lebenskräftigen Wurzeln, die viel zu tief liegen, als daß sie ausgerottet werden könnten, wieder frisch empor. Zeitweilig waren in einem Regiment zwei Drittel aller Mannschaften organisiert. Die Bünde stehen zum Teil der sozialdemokratischen Partei sehr nahe.
Propagandaliteratur wird in großen Massen in die Kasernen gebracht und auf den Straßen und in öffentlichen Lokalen an die Soldaten verteilt. Soldatenversammlungen werden abgehalten. Zahlreiche antimilitaristische Soldatenlieder sind weit verbreitet.
Natürlich betreibt auch die Partei selbst laufend antimilitaristische Agitation; und die Frauen und Mädchen wirken bei ihr, besonders die Jungen Garden bei der Kasernenagitation unterstützend, lebhaft und erfolgreich mit. Bemerkenswert ist noch die 1896 bereits in mehreren Auflagen erschienene Broschüre "Le catechisme du conscrit" ("Rekrutenkatechismus"), die mit dem "Manuel du soldat" Frankreichs Ähnlichkeit besitzt und auch wie dieser Gegenstand hitziger krimineller Verfolgungen wurde.
Die Verfolgung der antimilitaristischen Propaganda ist eine harte. Freilich kann man diese Charakteristik nur aufrechterhalten, wenn man von den im allgemeinen fortgeschrittenen politischen Zuständen Belgiens ausgeht. 1886 wurde Anseele wegen eines im "Vooruit" abgedruckten Aufrufs an die Mütter, ihre Söhne so zu erziehen, daß sie nicht auf das Volk schießen würden, mit sechs Monaten Gefängnis bestraft. "Le Conscrit" und "La Caserne" werden unausgesetzt angeklagt. Seit ihrem Bestehen sind um ihretwillen fast alljährlich ernste Verurteilungen erfolgt, natürlich auch, seitdem diese beiden Organe von den Jungen Garden herausgegeben werden. Hier machte den Beginn der Prozeß gegen "Le Conscrit" aus dem Jahre 1897, bei dem zwei Genossen je sechs Monate Gefängnis zudiktiert erhielten. 1904 wurde Coenen, der Sekretär der Nationalföderation der Jungen Garden, mit fünf andern wegen eines Plakataufrufs an die Rekruten vor die Geschworenen von Brabant gezogen; ein Gleiches geschah bald darauf mit Coenen allein wegen eines Artikels in "La Caserne", indessen erfolgte Freispruch. (1) Auch die Verurteilungen Troolets aus der Mitte der neunziger Jahre wegen "Le catechisme du conscrit" verdienen besondere Erwähnung.
Die Hauptdelikte, wegen deren die Bestrafung einzutreten pflegt, sind: Aufforderung zur Gehorsamsverweigerung, Beleidigung des Heeres (mit einer Minimalstrafe von sechs Monaten Gefängnis!) und schließlich die berühmte atteinte a la force obligatoire des lois (Angriff gegen die bindende Kraft der Gesetze), wo beim Komplott von mehr als fünf Personen die Strafe verdoppelt wird. Alljährlich werden durchschnittlich zwei bis drei Jahre Gefängnis verhängt. Im Jahre 1903 wurde der Nationalsekretär der Föderation zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Allerdings endet immerhin noch die Hälfte der Anklagen mit Freisprechung. Die Strafvollstreckung ist hart; zwischen Politischen und Unpolitischen wird grundsätzlich kein Unterschied gemacht.
Grausam, freilich wiederum nur am belgischen Maßstab gemessen, wird gegen die antimilitaristischen Soldaten eingeschritten. Korrektionshaft von zwei bis fünf Jahren bedroht die Ketzer gegen den Militarismus; und die Korrektion ist sehr hart. Bei dem geringsten Verstoß wird die mittelalterlich-barbarische Disziplinarstrafe des Cachot verhängt. Die Häftlinge liegen in Eisen, bei Wasser und Brot, ohne Feuer. Die Zellen sind über dem Wasser angebracht, feucht, im Winter geradezu tödlich. Zudem sind Mißhandlungen schlimmster Art durch die als Gefangenenwärter fungierenden Unteroffiziere; für die dieser Dienst auch als Disziplinarstrafe verhängt wird, an der Tagesordnung.
Welchen Umfang dennoch die antimilitaristische Propaganda in Belgien angenommen hat, daß sie trotz Feuer und Schwert fast einen vollständigen Erfolg zu verzeichnen hat, ist an anderer Stelle geschildert. In dem kritischen Jahre 1902 war die ganze Bevölkerung so stark an der Propaganda interessiert, daß die Offiziere, die die offen betriebene Agitation unter den Soldaten auf der Straße verhindern wollten, vielfach tätlich angegriffen wurden.
Nicht unerwähnt seien auch die Groupes des Anciens Militaires (Vereinigungen ehemaliger Soldaten), die früher als Nationalföderation organisiert waren, jetzt in Lokalorganisationen gut gedeihen, eine Zeitung herausgeben und die antimilitaristische Propaganda unter der Reserve und der Landwehr sowie die Gegenagitation gegen die bürgerlichen Kriegervereine zur Hauptaufgabe haben.
Nun noch einige Worte zum taktischen Standpunkt der belgischen Sozialdemokratie zum Militarismus.
Über die Stellung zum Kriege, vor allem die Taktik beim Ausbruch eines Krieges, besteht keine Einmütigkeit. Nur drei Tatsachen seien erwähnt:
Der Genter Parteikongreß von 1895 spendete einem Telegramm der Anciens Soldats von Amsterdam begeisterte Zustimmung, das der Erwartung Ausdruck gab, der Kongreß werde entsprechend dem Vorschlag der holländischen Sozialisten den Militärstreik für den Fall des Krieges billigen. Der Kongreß von Louvain im Jahre 1899 erklärte auf Vorschlag de Winnes schlechthin die Propaganda für den Sozialismus als das beste Mittel, die Rüstungen zu bekämpfen und den Weltfrieden herbeizuführen. Im Jahre 1905 beschloß die sozialistische Föderation des Arrondissements von Charleroi, zur Verhinderung des Krieges sei erforderlich:
1. die Mobilisierung der Truppen durch einen Generalstreik der Eisenbahner unmöglich zu machen;
2. einen Generalstreik in den Kohlebergwerken zu organisieren, um die kriegführenden Mächte des Brennmaterials, dessen sie für die Marine und den Truppentransport bedürfen, zu berauben;
3. die Arbeit in den Docks, Arsenalen und Munitionsfabriken einzustellen.
Auch die Geschichte der Jungen Garden gewährt hier einen interessanten Einblick. Ihr Kongreß von 1897 beschloß unter anderem, die sozialistischen Parteien der andern Länder zu veranlassen, ihre Jugend international und antimilitaristisch zu organisieren, um so den Krieg unmöglich zu machen. Wichtig waren die Verhandlungen auf dem Brüsseler Kongreß von 1903. Zwei Ansichten standen sich scharf und fast gleich stark gegenüber. Die eine, besonders von de Man etwa mit der Hervéschen Argumentation lebhaft verteidigte, gipfelte in dem Vorschlag der Militärstreiks (der kollektiven Dienstverweigerung), des Generalstreiks und der revolutionären Agitation für den Fall eines Krieges. Die andre, von Troclet und Fischer, schloß sich schlechthin den Beschlüssen der internationalen Kongresse an. Die Resolution Troclet-Fischer wurde mit 17 gegen 15 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. - Auf dem Genter Kongreß vom Januar 1906 wurde eine scharfe Scheidung gegenüber der anarchistischen Taktik vollzogen und besonders die individuelle Dienstverweigerung verworfen. Eine von de Man vorgeschlagene Motion bezeichnet als Mittel, den herrschenden Klassen das Machtmittel des Heeres zu entreißen, die Erweckung des proletarischen Klassenbewußtseins unter den Soldaten. Ein anderer Antrag de Mans charakterisierte die Armee in ihrer Rolle gegenüber dem inneren Feind. Den Soldaten wurde im Interesse der antimilitaristischen Agitation eine möglichst gute Führung anempfohlen. Damit waren die anarchistelnden Schlacken ausgeschieden und die Eierschalen der Unklarheit abgestreift.
In Frankreich ist die antimilitaristische Propaganda alten Datums und sehr lebhaft, aber weder so einheitlich organisiert noch von so gleichartiger Tendenz wie in Belgien.
Im Jahre 1894 beschloß der XII. Kongreß der sozialistisch-revolutionären Arbeiterpartei (POSR) von Dijon eine besonders beachtenswerte Motion gegen den Militarismus in beiderlei Gestalt, in der die Schäden des Militarismus und seine Gemeingefährlichkeit für das Proletariat scharf hervorgehoben wurden. Am Schluß hieß es: "In Friedenszeiten dient das stehende Heer als Polizeitruppe und Schießmaschine; sie erstickt die Kämpfe der Berg- und Fabrikarbeiter um ihre Rechte im Blute. Und in stumpfsinniger Wut stürzt sich der proletarische Soldat auf seine streikenden Brüder."
Neben dem sozialdemokratischen entwickelte sich der anarchistische und, als spezifisch französische (freilich später auch auf Italien und selbst die Schweiz reflektierte) Eigentümlichkeit, der antipatriotisch-sozialistische Antimilitarismus.
Der ganz- und halbanarchistische Antimilitarismus fand seine Hauptstützen in der Wochenschrift "Les Temps Nouveaux" ("Die Neuen Zeiten") und ihren zahlreichen, oft sehr geschickten Publikationen, die, ebenso wie die Wochenschrift selbst, meist auf einem immerhin proletarischen Standpunkt stehen, wertvolles Material bringen und neben Männern wie Kropotkin auch syndikalistische Mitarbeiter (besonders P. Delesalle) zählen. Dazu kommen die Publikationen des individualistischen "Libertaire". Französische Anarchisten waren es auch, die 1902 die später zu schildernde Internationale antimilitaristische Föderation anregten und etwas früher die Ligue Internationale pour la Défense du Soldat (Internationale Liga zum Schutze des Soldaten) mit dem Sitz in Paris ins Leben riefen. Die leitenden Köpfe dieser - wohl inzwischen entschlafenen - Liga waren die Anarchisten Janvion, Malato, ferner der Redakteur der radikalen "l'Aurore", Georges Lhermite, und Urbain Gohier. Ihr Programm ging auf - Beseitigung der stehenden Heere, Abschaffung der Militärjustiz und materielle Besser- und Sicherstellung der Soldaten; ihre Aktion überschritt dieses Programm jedoch bei weitem. Die von ihr herausgegebenen, oft wirksam illustrierten Ansichtskarten, Flugblätter und Affichen wiederholen die Parole "A bas la justice militaire!" ("Nieder mit der Militärjustiz!") unablässig, nicht minder aber die Rufe: "Nieder mit dem Krieg!" "Nieder mit dem Militarismus!" "Es lebe der Völkerfrieden!" Sie dürften nie über die Grenzen Frankreichs hinausgegangen sein.
Die Agitation für individuelle und kollektive Dienstverweigerung und Desertion nimmt in der Propaganda dieser Richtung, die natürlich auch nichts weniger als einheitlich ist, einen großen Umfang ein. Der gegenüber einem Krieg zu inszenierende Militärstreik soll nach Kropotkin (1) nicht rein passiv sein, sondern Hand in Hand gehen mit der sozialen Revolution und der Verteidigung der Revolution gegen den äußeren Feind, womit der Haupteinwand gegen den Antipatriotismus oder, wie ihn die "Temps Nouveaux" nennen: Antinationalismus widerlegt werden soll. Bekannt ist, daß der terroristische Anarchist Emile Henry im August 1892 zu Carmaux seine berüchtigte Bombe schleuderte, um durch dieses Menetekel im damaligen Bergarbeiterstreik eine Wiederholung der vorjährigen Schlächterei von Fourmies zu verhindern. (2)
Der antipatriotisch-sozialistische Antimilitarismus, der mancherlei anarchistelnde Züge aufweist (3), wird getragen einerseits innerhalb der jetzt geeinten sozialistischen Arbeiterpartei von der Föderation der übrigens fast völlig landwirtschaftlichen (4) Yonne, andererseits von einer starken Strömung innerhalb der antiparlamentarischen Gewerkschaften, bei denen der Antipatriotismus indessen ganz logisch gegenüber dem Kampf gegen den "Militarismus nach innen", dem grausamsten und mächtigsten Feind der streikenden Arbeiterschaft, zurücktritt.
2 Vgl. dazu die Broschüre "Le patriotisme", Publikationen des "Libertaire", Paris.
3 Die "Temps Nouveaux" stehen ihm gar freundlich gegenüber.
4 "Leur Patrie", S. 246. Daher der stets wiederholte Einwand gegen Hervé: seine Anhängerschaft in der Yonne erkläre sich nur aus der alteingewurzelten Abneigung der Bauern gegen den Militärdienst.
Seit 1901 geben die Jeunesses Socialistes, die sozialistischen Jugendorganisationen der Yonne, auf einen 1900 gefaßten Beschluß hin die ursprünglich halbjährlich, dann vierteljährlich erscheinende Zeitung "Pioupiou (1) de l'Yonne", wie die ersten Nummern an ihrer Spitze noch ausdrücklich betonten: für die zum Regiment Einberufenen, heraus. Gegen den "Pioupiou", der allen Ausgehobenen des Departements gratis übersandt wurde, entfesselte sich sofort die heftigste Hetze aller "staatserhaltenden" Elemente. Es regnete gerichtliche Verfolgungen, die indessen regelmäßig mit Freispruch endeten (2), obwohl in schärfster Weise zum Ungehorsam gegen den Befehl, Waffengewgegen Streikende anzuwenden, aufgefordert wurde. Der 1905 jedenfalls noch von Moneret herausgegebene "Pioupiou" stand unter dem entscheidenden Einfluß Hervés, der neben Yvetot der leitende Kopf und Organisator des antipatriotischen Antimilitarismus war und ist, der in seinem Werke "Leur Patrie" eine ausführliche und geschickte Begründung und Formulierung seiner Ideen gegeben hat und seit Mitte Dezember 1906 in Paris die dem Antimilitarismus energisch dienende Wochenzeitung "La Guerre Sociale" ("Der Klassenkampf") erscheinen läßt. Er kennt gegenüber jedem Krieg, möge er entstanden sein, wie er wolle, nur die eine Losung: Plutôt l'insurrection que la guerre" ("Eher Aufstand als Krieg") und greift die Haltung der führenden deutschen Sozialdemokraten zur Frage der Angriffskriege aufs heftigste an. (3) Er ist weit entfernt, die individuelle Dienstverweigerung zu empfehlen. Der Kampf gegen den inneren Militarismus tritt bei ihm etwas in den Hintergrund. Wir haben uns an anderer Stelle mit dem Hervéismus, der seinen Kampf mit anerkennenswerter Opferbereitschaft und Zähigkeit führt, auseinanderzusetzen.
2 Vgl. "Le Pioupiou en cour d'Assises" ("Der Pioupiou vor den Geschworenen"), Auxerre 1904.
3 Vgl. über den Antiparlamentarismus Hervés "La Vie Socialiste", S. 97ff. Fages im "Mouvement Socialiste" vom 1. Juni 1905, S. 152, nennt die campagne antipatriotique in Wahrheit eine campagne anticapitaliste.
Für die Form der Hervéschen Propaganda ist immerhin ein Vorvgang vom 30. September 1906 charakteristisch. An diesem Tage fanden sich Hervé und eine Schar seiner Anhänger bei einem von der republikanischen Jugend des 3. Arrondissement und der französischen Unterrichtsliga zu Ehren der zum Militärdienst Einberufenen veranstalteten Fest im "Trocadéro" ein und demonstrierten gegen die patriotisch-militärische Veranstaltung, so daß es zu Zusammenstößen mit der Polizei und zu Verhaftungen kam.
Über den antipatriotischen Antimilitarismus der Gewerkschaften gibt der für die Conféderation Générale du Travail dem Dubliner Kongreß der Gewerkschaftssekretäre 1903 vorgelegte Bericht, der im strikten Gegensatz zum Hervéismus die selbständige Bedeutung des "Militarismus nach außen" einseitig unterschätzt, einen guten Überblick.
In diesem Bericht werden die Methoden der antimilitaristischen Erziehungsarbeit eingeteilt in:
1. Solidaritätsarbeit:
a) "Soldatengroschen" ("Sou du soldat");
b) gastliche Aufnahme und Versorgung der Soldaten in den Arbeitsbörsen (Gewerkschaftshäusern);
c) Solidarität gegenüber denjenigen Kameraden, die sich dem Militärdienst entziehen oder ihrer Auflehnung gegen die Disziplin zum Opfer fallen.
2. Propagandaarbeit: öffentliche Versammlungen, Gesellschaftsabende, Rekrutenabschiede, Umzüge, Maueranschläge, Manifeste, Broschüren, Flugblätter, die alljährliche illustrierte Spezialnummer der seit 1900 erscheinenden "La Voix du Peuple" ("Die Volksstimme"), des Organs der französischen Gewerkschaftsföderation, die in Massen verbreitet und vielfach den Militärpflichtigen durch die Post übersandt wird; schließlich das neue Handbuch des Soldaten ("Manuel du soldat"), das schon im Jahre 1903 in 100 000 Exemplaren verbreitet worden ist und bekanntlich - unter Billigung des Exsozialisten Millerand! - zu energischem Einschreiten der Verwaltungs- und Justizbehörden geführt hat.
Der "Manuel du soldat" wurde auf Beschluß des Gewerkschaftskongresses zu Algier vom 15. September 1902 von der Föderation der Arbeitsbörsen herausgegeben; er erschien bereits 1902 in zweiter Auflage und wurde auch 1905 wieder aufgelegt. Er gipfelt in der Aufforderung an die Ausgehobenen, zu desertieren oder in den Kasernen antimilitaristisch zu agitieren, und in der Aufforderung an die aktiven Mannschaften, auf den "inneren Feind", ihre Arbeitsbrüder, auch wenn es ihnen befohlen wird, nicht zu schießen.
Erwähnt sei hier noch das frühere Organ "La Lutte Sociale" ("Der Klassenkampf") der sozialistisch-revolutionären Arbeiterpartei, das für die Union Fédérative du Centre von Allemane und Hervé, zuletzt wohl 1904, herausgegeben wurde und sich auch der antimilitaristischen Propaganda widmete.
Im Jahre 1905 wurde von Sozialisten und Syndikalisten gemeinschaftlich (1) jenes rote Plakat verbreitet, das den Soldaten ans Herz legte, sich ihrer Waffen nicht gegen das Proletariat zu bedienen und bei einem Befehl hierzu lieber die Waffen auf die kommandierenden Offiziere als auf ihre Klassengenossen zu richten.
Die antimilitaristische Propaganda bildet schließlich auch eine Hauptaufgabe der französischen Jugendorganisationen, von denen bis zum Jahre 1903 jede der drei französischen Parteien ihre besondere besaß (Jeunesse Socialiste). Seit dem Jahre 1902 traten noch die von den revolutionären Gewerkschaften geförderten Jeunesses Syndicalistes hinzu. Sie befinden sich jetzt wohl in einem chaotischen Zustand.
Die Tätigkeit der Jugendorganisation der Yonne ist oben berührt. Als Organ der Gruppen der sozialistisch-revolutionären Jugend erschien seit 1900 in Paris der auch 1906 herausgegebene "Conscrit", als Organ der Union Fédérative des Jeunesses Socialistes du Parti Ouvrier (des Föderativverbandes der sozialistischen Jugend der Arbeiterpartei) die Zeitung "La Feuille du Soldat" ("Das Blatt des Soldaten"). Beide rufen die Proletarier im Waffenrock zu ihren Pflichten gegen ihre Klassengenossen auf. "La Feuille du Soldat" fordert unverblümt Gehorsamsverweigerung gegenüber dem Kommando zum Waffengebrauch gegen die Arbeiterschaft und Beteiligung an dem etwa zu proklamierenden Generalstreik. "Le Conscrit" verwirft die individuelle Revolte mit besonderem Nachdruck als zwecklos.
Auf dem französischen Gewerkschaftskongreß zu Amiens vom Oktober 1906 konnte Delesalle mit Recht darauf hinweisen, daß sich die früheren Gewerkschaftskongresse für die antimilitaristische und antipatriotische Propaganda ausgesprochen hätten, und mitteilen, daß sie im Komitee einstimmig beschlossen worden sei. Auf dem gleichen Kongreß wurde, allerdings gegen eine beträchtliche Minderheit, eine Tagesordnung Yvetot angenommen, die eine Verstärkung der antimilitaristischen und antipatriotischen Agitation empfiehlt, wobei sich die Minderheit, wie deutlich zum Ausdruck gebracht wurde, nicht gegen den Antimilitarismus oder seine verstärkte Propaganda, sondern ausschließlich gegen die Betonung der antipatriotischen Propaganda wandte. Dies ergab auch der Verlauf des im November 1906 zu Limoges abgehaltenen Parteitags der geeinigten sozialistischen Partei Frankreichs. Die Hervésche Resolution, eingebracht von der Föderation der Yonne, die nach einer Formulierung des antipatriotischen Standpunktes die Genossen auffordert, jede Kriegserklärung, komme sie von welcher Seite sie wolle, mit dem Militärstreik und der Insurrektion zu beantworten, erhielt nur eine geringe Stimmenzahl. Aber die von Guesde eingebrachte Resolution, die den organisch-kapitalistischen Charakter des Militarismus betont als einzig mögliche antimilitaristische Propaganda die allgemeine sozialdemokratische Propaganda betrachtet und als nächste Forderung die Verkürzung der Dienstzeit, die Versagung der militärischen Kredite und die Einführung der Volksbewaffnung aufstellt, unterlag nicht minder, wenn auch mit einer dreifach größeren Minorität. Annahme fand die von Vaillant vertretene Resolution der Seine-Föderation, die unter Bestätigung des prinzipiellen Standpunktes der internationalen Kongresse die Vorbereitung einer internationalen Aktion zur Verhinderung jedes Krieges fordert und jede Form der Aktion, von der parlamentarischen Intervention und der öffentlichen Agitation und Demonstration an bis zum Generalstreik und zur Insurrektion, je nach den Bedürfnissen der Lage, zur Pflicht macht. - Anfang 1906 hatte Vaillant bekanntlich in "Le Socialiste" aus Anlaß des Marokkokonflikts seine berühmte Proklamation gegen den Krieg erlassen, die in dem Rufe gipfelte: Plutôt l'insurrection que la guerre !
Über den Militarismus gegenüber dem inneren Feind ist kein Beschluß gefaßt. Die Stellungnahme der französischen Sozialdemokratie hierzu ist indes aus zahlreichen andern Kundgebungen ersichtlich. Die Parole lautet hier: Aufforderung an die Soldaten zur Gehorsamsverweigerung bei Verwendung gegen Streiks, gegen die Arbeiterschaft. Wenn im "Manuel du soldat" den Soldaten zugerufen wird: "Wenn man versuchen sollte, Euch zu Mördern zu machen, so ist es Eure Pflicht, den Gehorsam zu verweigern! Wenn man Euch gegen Streiks schickt, so werdet Ihr nicht schießen!", so ist dieses berühmte "Vous ne tirerez pas", das Genosse Meslier beim großen Antimilitaristenprozeß vom Dezember 1905 auch vor Gericht zu dem seinigen machte, nur ein Widerhall des allgemeinen Rufes der klassenbewußten Arbeiterschaft Frankreichs, mag sie sich nun syndikalistisch oder sozialistisch nennen.
Der schon genannte, 1905 von Syndikalisten und Sozialisten gemeinschaftlich erlassene Aufruf an die ausgehobenen Mannschaften, sich ihrer Waffen gegen die Arbeiterschaft nicht zu bedienen und beim Befehl, auf Streikende zu schießen, lieber die Gewehre auf die so befehlenden Offiziere zu richten, bietet die schärfste, unerschrockenste Zuspitzung jener Losung. Sembat konnte in der Kammer bei Besprechung dieses Aufrufs im Namen der Sozialisten erklären: "Man fragt mich, was ich über den Rat denke, auf die Offiziere zu schießen. Ich antworte, daß ich in dem einen Fall, wo der Offizier befiehlt, auf Streikende zu schießen, diesen Rat billige." Und Lafargue hat sich in der "Humanité" zu diesem Standpunkt noch wiederholt ohne Umschweife knapp und klar bekannt.
Nicht wenig tragen zur Propaganda bei die zahlreichen Antimilitaristenprozesse, die in Frankreich bis vor kurzem fast regelmäßig zur Freisprechung führten. Von den "Pioupiou"-Prozessen ist oben gehandelt. Yvetot wurde nach zehnmaligem Freispruch zuerst 1904 wegen einer antimilitaristischen Rede vom Schwurgericht der unteren Loire zu - 100 Francs Buße verurteilt. Später machte er auch mit dem Gefängnis Bekanntschaft. In Aix standen 1905 zwei Anarchisten unter Anklage. Der eine wurde wegen eines an die Mauern von Marseille angeschlagenen antimilitaristischen Manifestes zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Gefängnisstrafen erlitten weiter Morel und Frimat; auch in Brest, Armentières und Limoges wurden Freiheitsstrafen zuerkannt. (1) Im Frühjahr 1906 erfolgten Verurteilungen in Toulon und Reims. Die Rekrutennummer der "Voix du Peuple" ist wiederholt der Beschlagnahme verfallen; im Oktober 1906 wurde ihr Redakteur Vignaud verhaftet. Vor allem aber ist der große Pariser Antimilitaristenprozeß aus dem Dezember 1905 zu beachten, in dem Hervé mit 25 andern zusammen zu 56 Jahren Gefängnis und 2500 Franc Geldstrafe verurteilt worden ist, ohne daß allerdings diese harten Strafen zur völligen Vollstreckung gekommen wären.
Eine massenhafte Broschürenliteratur steht der antimilitaristischen Propaganda aller Arten in Frankreich zu Gebote. Besonders verdient gemacht durch Herausgabe derartiger Broschüren haben sich außer den "Temps Nouveaux" die Librairie de Propagande Socialiste, die Société nouvelle de Librairie et d'Edition (Georges Bellais), die Librairie du Parti Socialiste (S.F.I.O.) und der Verlag Stock in Paris.
Die Erfolge der antimilitaristischen Propaganda in Frankreich sind beträchtlich. Dabei soll die Tatsache, daß sich hier und da ein Offizier offen zum Antimilitarismus bekennt und unter größter Selbstverleugnung alle Konsequenzen hieraus auf sich nimmt, nicht besonders hoch angeschlagen werden. (1) Derartige Einzelakte interessieren nur wenig bei einer rein proletarischen Klassenerscheinung, als die wir den Antimilitarismus in Frankreich (im Gegensatz zu Rußland) zu betrachten haben. Bedeutsamer ist, daß sich die Fälle häufen, in denen die Mannschaften desertieren, den Dienst und Gehorsam verweigern und antimilitaristische Demonstrationen unternehmen, wobei zuweilen höchst grausame (2), zuweilen für unsre deutschen Verhältnisse erstaunlich milde Strafen erkannt werden. So wurden im Oktober 1906 vom Kriegsgericht in Cherbourg zwei Marineinfanteristen zu 15 beziehungsweise 60 Tagen Gefängnis verurteilt, weil sie vor einem patriotischen Denkmal geäußert hatten: "Nieder mir der Armee, nieder mit den Offizieren, man braucht keine Armee."
2 Besonders in Algerien wegen geringster Ursache selbst die Todesstrafe! Vgl. auch die Affäre von Besançon in der "Humanité" vom 11. Dezember 1906.
Nur einige Einzelheiten seien herausgegriffen. Am 3. Mai 1905 verließen 61 Mann von der 10. Kompanie des 32. Infanterieregiments wegen schlechten Essens und schlechter Behandlung einfach die Kaserne und zogen in einen Nachbarort. Im September 1906 veranstalteten anläßlich des Selbstmords eines Reservisten der Garnison Compiegne die Soldaten eine Kundgebung, sangen die Internationale und beschimpften die Offiziere. Der "Eclair" veröffentlichte Anfang August 1906 ein Rundschreiben des Kriegsministers Etienne an die Korpskommandanten, in dem er ihnen zur Kenntnis bringt, daß die Unteroffiziere beim Verlassen der Infanterieschule von Saint-Maixent (1) antimilitaristische Ideen an den Tag gelegt und erklärt hätten, daß sie in der Armee nur blieben, um Anhänger für ihre Ideen zu gewinnen. Vor allem aber muß auf zahlreiche Streiks, zum Beispiel in Dünkirchen, Le Creusot, Longwy (Merrheim!), Montceau-les-Mines, hingewiesen werden, bei denen sich die zum Einschreiten berufenen Soldaten mit den Streikenden solidarisch erklärten. Kein Wunder, daß der "Nouvelliste de Rouen" die Sozialdemokratie in bezug auf die Armee als eine "sehr gefährliche Wunde am Körper Frankreichs" bezeichnet", die man gar nicht genug bekämpfen könne" (2).
2 Vgl. von Zepelin, "Kreuz-Zeitung" vom 25. Dezember 1906.
Es fällt uns Deutschen auf, wie für unsre Begriffe auffällig zurückhaltend sich der Kriegsminister Etienne in dem erwähnten Rundschreiben über die antimilitaristische Gefahr und ihre Bekämpfung ausläßt, wie denn überhaupt nicht geleugnet werden kann, daß gerade in Frankreich das verfassungsmäßige Recht der freien Meinungsäußerung auch dem Antimilitarismus häufig in weitem Umfange zugebilligt worden ist. Die Berichte über die Antimilitaristenprozesse sind hier sehr lehrreich. Man erinnert sich auch, wie vor einigen Jahren der Sozialist Fourniere an der polytechnischen Offiziersschule zu Vorlesungen über Sozialpolitik zugelassen wurde. Und ganz neuerdings haben die Offfiziersvorlesungen an der Hochschule für soziale Studien in Paris, in denen sich der Hauptmann Demonge unbeanstandet in höchst umstürzlerischer Weise gegen den Militarismus ausließ, unsren strammen und bornierten Militaristen eine Gänsehaut überlaufen lassen. Hält man das zusammen mit der bevorstehenden Einschränkung der Militärjustiz und des "Biribi", der - abgelehnten - Regierungsvorlage über die Verkürzung der Reserve- und Landwehrübungen sowie dem Picartschen Plan einer Demokratisierung des Offizierskorps durch Verwirklichung der unité d'origine (Einheit des Ursprungs) für Offiziere und Unteroffiziere (1), so möchte Frankreich als ein Dorado des Antimilitarismus erscheinen. Die Tonart, die freilich Clemenceau, dieser Präsident eines mit zwei "Sozialisten" ausstaffierten Ministeriums, einst amor et deliciae aller sozialen Optimisten, gegenüber dem Antimilitarismus anschlägt, zeigt, wie oben dargelegt, daß es sich nicht um eine Wesensänderung des Militarismus handelt, sondern nur um eine Formänderung, die in der Hauptsache dem Antiklerikalismus zuzuschreiben ist
Die Arbeiterbewegung Italiens weist in ihrer Nuancierung manche Ähnlichkeit mit der französischen auf. Auch hier finden wir die anarchistischen Entgleisungen sowie eine syndikalistisch antipatriotische Bewegung, die antiparlamentarisch ist und dem Anarchismus nahesteht, neben der normalen politischen Parteibewegung. Die antimilitaristische Bewegung ist dementsprechend differenziert. Sie ist in Italien nicht erst neueren Datums, aber erst neuerdings von der Partei systematisch in Angriff genommen worden. In erster Linie sei hier der Jugendorganisationen gedacht; vor allem der Federazione Nazionale Giovanile Socialista mit dem Sitz in Rom, die sich aus Provinzialföderationen zusammensetzt (1), die von Paolo Orano redigierte "Gioventu Socialista" ("Sozialistische Jugend") herausgibt und ganz wie die belgischen Jungen Garden von vornherein auf dem Gebiet des Antimilitarismus eifrig gewirkt hat. (2)
2 Vgl. dazu die Verhandlungen des Mailänder Kongresses.
Im Jahre 1905 wurde die Leghe delle Futture Conscritti gegründet als spezielle antimilitaristische Nebenorganisation der Nationalföderation und mit ihr aufs engste verbunden. Beide Organisationen sind von der Partei anerkannt. Im Oktober 1905 beschloß der Parteivorstand in seiner in Rom abgehaltenen Sitzung mit allen gegen eine Stimme folgende Resolution Ferri:
"Der Parteivorstand, protestiert gegen die polizeilichen Verfolgungen der Sozialisten und ihrer Presse gelegentlich der jüngsten antimilitaristischen Kundgebungen; konstatiert mit Befriedigung den Enthusiasmus, mit dem die Jugendorganisationen die antimilitaristische Agitation der Partei fortgeführt haben, und beschließt, daß an dieser Agitation unter Teilnahme des Parteivorstandes die ganze Partei mitwirke, nicht allein um die öffentliche Meinung über die ungeheure Vergeudung von Staatsgeldern in der Militärverwaltung aufzuklären, sondern auch vor allem, um die Rekruten und Soldaten dahin zu erziehen, nicht ihre Pflicht der Landesverteidigung zu verletzen, wohl aber ihre Mitwirkung bei den Arbeitermorden zu verweigern, deren Häufigkeit und Ruchlosigkeit den Schimpf unsres Landes bilden."
Im übrigen hat der römische Parteitag vom Oktober 1906 einen Einblick in die Gesamtheit der antimilitaristischen Propaganda Italiens gegeben. Der Antimilitarismus stand als spezieller Punkt auf der Tagesordnung. Zwei Anträge wurden vorgelegt. Der eine vom Syndikalisten Bianchi: "Der neunte Kongreß der Sozialistischen Partei spricht bei der Diskussion über den Militarismus der Tätigkeit und den Formen der Propaganda der sozialistischen Jugendorganisation Italiens seinen Beifall aus." Der andere von Romualdi, Redakteur des "Avanti": "Der Parteitag bestätigt die antimilitaristische Tradition der Partei und erachtet es als notwendig, in Anbetracht des Widerstandes der Bourgeoisie gegen die bindende Festlegung einer wirklichen Neutralität der Truppen im Kampf zwischen Arbeiter und Kapital, eine Agitation zur Verhütung der Arbeitermorde und des Streikbrechertums durch Soldaten zu entfalten, die darauf abzielt, die jungen Arbeiter zu bestimmen, in solchen Konflikten nicht die Waffe zu gebrauchen und sich nicht zu Streikbrechern herzugeben. Er erachtet gleichzeitig eine Propaganda unter den Arbeitern für nötig, um diese dahin zu bringen, nicht Gewgegen die Truppen anzuwenden, sowohl um die mögliche Reaktion von seiten der Soldaten zu verhüten, wie um zu beweisen, daß ein gleiches Band der Brüderlichkeit streikende Arbeiter und Soldaten verbindet."
In der Diskussion wurde sowohl der antipatriotische wie der anarchistische Antimilitarismus vertreten, weit überwiegend indessen der sozialdemokratische Antimilitarismus im engeren Sinne, während nur vereinzelt die antimilitaristische Agitation unter den Soldaten mit ähnlichen Argumenten bekämpft wurde, wie dies zu Bremen auf dem deutschen sozialdemokratischen Parteitag 1904 geschah. Die Vertreter der Jugendorganisation erklärten, daß ihre Genossen antimilitaristische Propaganda trieben, aber nicht im Hervéschen Sinne, sondern zur Verminderung der Heeresausgaben und zur Erweckung der Solidarität der Soldaten mit den Arbeitern. Schließlich wurde auf Antrag Ferris und Turatis von einem Votum abgesehen und die Frage der Parteileitung zum Studium überwiesen. Von besonderer Bedeutung ist indessen, daß die sogenannte integralistische Tagesordnung Ferris, die vom Kongreß mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde, folgenden Passus enthält:
"Die Partei entfaltet eine praktische Aktion, die darauf abzielt: die antiklerikale und die antimonarchische Propaganda zu verschärfen in Anbetracht der gegenwärtigen Lage und des wachsenden Klerikalismus der Regierung, ebenso die antimilitaristische Agitation, die darauf gerichtet ist, die italienische Jugend sozialistisch zu erziehen, um die Tendenz der herrschenden Klassen zu neutralisieren, die sich des Heeres als eines Organs der antiproletarischen Vergewaltigung bedienen wollen."
Auch in Italien hat die antimilitaristische Agitation die Armee in ihrer Eigenschaft als Waffe gegenüber dem inneren Feind unzuverlässig gemacht; auch in Italien hat es sich die Klassenjustiz nicht nehmen lassen, durch zahlreiche Prozesse und harte Strafen die Antimilitaristen in Zivil und im Heere zu bekämpfen. Bekannt sind die Turiner Vorgänge aus dem Jahre 1905.
In der Schweiz hat sich der Antimilitarismus kräftig entwickelt mit der immer häufigeren Verwendung der Soldaten bei Streiks.
Im Oktober 1905 faßte der Oltener Parteitag der schweizerischen Sozialdemokratie eine Resolution, die gegenüber dem Kriege den üblichen Standpunkt einnimmt und eine Militärverfassung fordert, welche "die Rechte und Pflichten des Staates und der Bürger genau feststellt" und die Verwendung des Militärs in Streikfällen für unzulässig erklärt.
Die Unzufriedenheit mit diesem Beschluß führte im April 1904 zur Einberufung des Luzerner Parteitages, der unter anderem folgende Forderungen aufstellte:
Erhebliche Reduktion der militaristischen Ausgaben, Volksentscheidung über Ausgaben von mehr als einer Million, Besserstellung des Wehrmannes in militärischer und ökonomischer Beziehung, Abschaffung der Militärjustiz, Verbot der Verwendung von Truppen bei Streiks. - Er bezeichnete es als Pflicht der Partei, mit allen Mitteln für die Erreichung dieser Postulate zu kämpfen, ohne daß die Mittel näher bezeichnet wären.
Das militärische Eingreifen bei den Streiks von La Chaux-de-Fonds und vom Ricken regte zu einer schärferen Initiative und zu einer klareren Parole an. Erregte Versammlungen fanden statt. Das Bundeskomitee des Gewerkschaftsbundes und die Parteileitung gaben am 15. September 1904 ein Flugblatt heraus, das folgende Sätze enthält:
"Auf alle Fälle muß aber unsern Wehrmännern zur Pflicht gemacht werden, nicht auf ihre Arbeitsbrüder zu schießen, nicht gegen diese die Waffen zu gebrauchen, bei solcher Gelegenheit nicht nur den Gehorsam zu verweigern, sondern jeden Mord mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Sie handeln dann nur im Sinne unsrer Bundesverfassung: Auch der Wehrmann im Waffenrock ist in erster Linie Bürger."
Der bald darauf abgehaltene Parteitag in Zürich nahm folgenden Antrag an: "Die Sozialdemokratische Partei fordert die Soldaten auf, bei Militäraufgeboten anläßlich von Streiks sich ihrer Solidarität mit den streikenden Arbeitern bewußt zu sein und sich nicht zu Handlungen verwenden zu lassen, durch welche das Streik- und Versammlungsrecht ihrer Klassengenossen verkümmert würde."
Der darauf folgende Parteitag von Genf veranlaßte den Parteivorstand, für den nächsten Parteitag einen Beschluß zur Militärfrage vorzubereiten.
Inzwischen erhielt die antimilitaristische Agitation Organisation und System. Im Jahre 1905 wurde eine Antimilitaristische Liga der Schweiz gegründet, die sich zur Aufgabe setzt:
1. die Arbeiterschaft darüber aufzuklären, daß die Armee innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft dazu dient, die Befreiung der Arbeiterschaft zu verhindern;
2. alle Mittel zu propagieren, die geeignet sind, die Armee als Machtmittel der Kapitalisten unschädlich zu machen.
Ihren ersten Kongreß hielt sie im Oktober 1905 ab und verbreitete sich seit dieser Zeit rasch. Sie gibt Flugblätter an die Arbeiterorganisationen und Broschüren für Land- und Industriearbeiter heraus und entfaltet eine rege Tätigkeit. Unter den Broschüren ist besonders zu nennen das weitverbreitete, fast klassische Schriftchen "Der Hofhund des Kapitals".
Auf Beschluß des Kongresses in Luzern vom Januar 1906 wurde eine Zentralbibliothek und die Übersetzung von Hervés "Leur Patrie" vorbereitet. Die Liga läßt ferner den "Vorposten" erscheinen, der sich mit großer Geschicklichkeit der antimilitaristischen Agitation widmet. (1) Zu der Frage des Militarismus nach außen vertritt sie den vielbekämpften Standpunkt: daß zwar die Beseitigung der Kriege mit dem Siege des Sozialismus eintreten werde, daß aber schon vor diesem Siege etwas gegen die "gegenseitige Abschlachtung von Besitzlosen durch Besitzlose auf Befehl von Besitzenden" geschehen müsse und daß das einzige, was hier geschehen könne, die "Verweigerung der militärischen Arbeitskraft", das heißt der Militärstreik, sei. In der Frage des Militarismus gegen den inneren Feind gilt ihr natürlich das: "Vous ne tirerez pas !" (2) Selbstverständlich ist dem Kapitalismus das zweite, gerade in der Schweiz, bei weitem unangenehmer als das erste; dennoch entspricht es einem beliebten machiavellistischen Manöver der Bourgeoisie, daß sie die Mühle ihrer Gegenagitation durch den "patriotischen" Wind zu treiben sucht, den sie durch entrüstete Brandmarkung jener "vaterlandslosen", "landesverräterischen" Tendenz, der "Wehrlosmachung nach außen", zu entfachen bemüht ist. (3)
2 Vgl. "Vorposten", Die Anträge des Parteikomitees.
3 Vgl. "Leipziger Volkszeitung" vom 30. Januar 1906, "Eine Spaltung in der schweizerischen Sozialdemokratie?"
Der Parteitag zu Aarau vom Februar 1906 zeitigte eine sehr interessante antimilitaristische Debatte. Es trat zutage, daß auch in der Schweiz die Idee des Militärstreiks und der speziellen Militärdienstverweigerung gegenüber dem äußeren Feind Anhänger hat. Folgende wichtige Resolution wurde angenommen:
1. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz erstrebt im Bunde mit den sozialdemokratischen Parteien der andern Länder die Abschaffung aller Kriegsmöglichkeiten und Kriegsmittel unter den zivilisierten Völkern. Sie verlangt die Erledigung internationaler Konflikte durch Schiedsgerichte.
2. Solange dieser Zustand nicht unter den Völkern Mitteleuropas hergestellt ist, anerkennt sie ein Volksheer mit der ausschließlichen Bestimmung der Verteidigung des Landes gegen Angriffe von außen.
3. Die Partei protestiert gegen die Verwendung von Wehrmännern bei Streiks. Da dieser Mißbrauch in den letzten Jahren tatsächlich vorgekommen ist, verlangt sie Garantien gegen dessen Wiederholung. Solange diese Garantien nicht gegeben sind, rät sie den Soldaten, wenn diesen befohlen wird, streikende Arbeiter anzugreifen oder gegen sie die Waffen zu gebrauchen, den Gehorsam zu verweigern. Die Sozialdemokratische Partei wird in solchen Fällen nach Möglichkeit die finanziellen Folgen, die den einzelnen und seine Familie treffen, zu erleichtern suchen und sich zu diesem Zweck mit den gewerkschaftlichen Organisationen in Verbindung setzen. Die Partei hält dafür, daß die beste Garantie gegen die Verwendung der Truppen in Streikfällen in der Verstärkung ihrer politischen Macht in Gemeinde und Staat liege.
4. Die Partei verlangt eine auf der allgemeinen Wehrpflicht aufgebaute Organisation des Heerwesens, die mit den demokratischen Einrichtungen im Einklange steht und der verfassungsmäßigen Rechtsgleichheit nicht widerspricht. Sie verlangt eine Verminderung der Militärausgaben und bekämpft alle Aufwendungen, die nicht unbedingt durch die Zwecke der Landesverteidigung geboten sind."
In Konsequenz dieses Beschlusses wurde die Gründung einer Widerstandskasse beschlossen. Dieser Beschluß deckt sich zu 1, 2 und 4 im wesentlichen mit dem Antrag, den das Parteikomitee vorgelegt hatte. (1) Bei Punkt 3 hingegen hat der Parteitag den Passus, der zur Gehorsamsverweigerung beim Eingreifen in Streiks auffordert, in den Antrag des Parteikomitees eingeschoben und diesen Antrag, entsprechend dem Verlangen des "Vorpostens", wesentlich verschärft und aktuell gestaltet.
Die Grütlianer-Sozialdemokraten nehmen bekanntlich zum großen Teil dem Militarismus gegenüber eine durchaus kleinbürgerlich-schiefe Haltung ein, zum Beispiel mißbilligen sie die Budgetverweigerung! Kein Wunder, daß die Militärfrage drauf und dran ist, sie leicht zu befinden und als Spreu aus der Partei wieder hinauszublasen. Die für den Parteitag in Aarau schon angekündigte erneute Spaltung der Partei ist trotz jener energischen antimilitaristischen Haltung des Parteitags vorläufig vermieden. Erwähnenswert sind noch die Publikationen der Studiengruppe des Arbeiterzirkels Saint-Imier, unter denen sich unter anderem die brauchbare Broschüre "Die Armee und die Streiks" befindet. Eine gewisse Rolle spielen auch die allerdings wohl nur in der französischen Schweiz bestehenden Jugendorganisationen. Seit 1905 wurde von einigen dieser Organisationen in Lausanne die Zeitschrift "La Jeunesse Socialiste" herausgegeben, die indes später den Charakter einer Jugendzeitschrift verlor. Erwähnung verdient ferner der von dem Genossen Pfarrer Pflüger in Zürich gegründete und geleitete Jungburschenverein.
Selbstverständlich hat sich in der Schweiz auch der Anarchismus dem Antimilitarismus zugewandt. Es besteht dort eine anarchistische antimilitaristische Gruppe von Genf, anscheinend für die ganze Schweiz als Einzelgruppe der Internationalen Antimilitaristischen Assoziation, von der unten noch zu sprechen sein wird. Der in Zürich seit 1902 erscheinende anarchistische "Weckruf!" betrachtet die antimilitaristische Agitation, natürlich im anarchistischen Sinne, als eine seiner Hauptaufgaben. Es soll nicht verkannt werden, daß hier wenigstens ein proletarischer Anarchismus verfochten wird, richtiger, daß die Argumentationen des "Weckruf!"-Antimilitarismus zu einem guten Teil proletarische sind. Die Erfolge des schweizerischen Antimilitarismus, wie sie sich besonders bei den Genfer und Züricher Streiks zeigten, sind bereits gestreift; ebenso die daran anknüpfenden denkwürdigen Justizaktionen. Ergänzend sei die Weigerung zahlreicher proletarischer Milizen verzeichnet, bei dem Maurerstreik von La Chaux-de-Fonds gegen die Streikenden zu marschieren; sechs von ihnen wurden von den Militärgerichten, trotz der "Sympathie" der sogenannten öffentlichen Meinung, von der sie angeblich getragen wurden, zu immerhin ernsten Strafen verurteilt. (1)
Von einer speziellen antimilitaristischen Bewegung wird man hier erst seit der Entstehung der besonderen Jugendbewegung reden dürfen. Diese hat anscheinend zuerst in Wien, und zwar Anfang 1894, durch Gründung eines Vereins jugendlicher Hilfsarbeiter eingesetzt, der seine Spitze gegen die nationalen Jungmannschaften und die katholischen Jünglingsvereine richtete und bald an andern Orten Nachahmung fand, so daß seit dem 15. Oktober 1902 als Organ für die Interessen der jugendlichen Arbeiter Deutschlands der anfangs halbmonatlich, später monatlich aber in erweitertem Umfange erscheinende "Der Jugendliche Arbeiter" herausgegeben werden konnte. Um Ostern 1903 wurde sodann der Reichsverband der jugendlichen Arbeiter Österreichs, der alle Ortsvereine umfaßt, gegründet. Seit dem 1. April 1903 ist "Der Jugendliche Arbeiter" die offizielle Zeitschrift dieses Reichsverbandes. Ein Blick in die vorliegenden Jahrgänge dieser sehr flott redigierten Zeitung zeigt, daß sie den besonderen Kampf gegen den Militarismus unter der Jugend geschickt zu führen versteht.
Weiter sei auf die bereits im Jahre 1896 in Wien herausgegebene populäre Agitationsbroschüre "Lustig ist's Soldatenleben" verwiesen, die in einer vortrefflichen Weise die Sünden des Militarismus in seiner besonderen österreichischen Färbung zusammenfaßt und erbarmungslos an den Pranger stellt, sowie auf die vom gleichen Verlag herausgegebene Sammlung "Lichtstrahlen", besonders die Broschüre "200 Millionen für neue Kanonen? Wer bewilligt's und wer bezahlt's?" und "Der männermordende völkerverderbende Militarismus in Österreich". Hierher gehört auch die Massenverbreitung der Daszynskischen Reichsratsrede vom 25. September 1905 unter dem Titel "Weg mit dem Dualismus und Militarismus".
Eine besondere Betrachtung verdient der tschechische Antimilitarismus. Auch hier spielt die Jugendbewegung eine wesentliche Rolle. Seit dem 1. Mai 1900 erscheint die Jugendzeitschrift "Sbornik Mladeze". Die tschechischen Jugendorganisationen haben die antimilitaristische Agitation ausdrücklich als eine ihrer Aufgaben proklamiert. Der sozialdemokratische Parteitag zu Budweis vom Jahre 1900 lehnte zwar die Genehmigung zur Gründung besonderer Organisationen der jugendlichen Arbeiter ab. Das richtete sich indessen nur gegen außerhalb der Partei stehende Organisationen und führte zu einem engen Zusammenschluß der Jugendorganisationen mit der allgemeinen Parteibewegung. Die planmäßige Organisation der Jugend machte Fortschritte. Es wurden an vielen Orten Agitationskomitees mit der besonderen Aufgabe der Agitation unter der Arbeiterjugend gegründet. Seit dem 15. März 1901 erschien "Sbornik Mladeze" monatlich; seit dem 1. Januar 1905 erscheint er monatlich zweimal. Der 1902 in Prag abgehaltene sozialdemokratische Parteitag sprach sich wiederum für die besondere Jugendagitation und für die Organisation innerhalb der Partei aus.
Im Jahre 1903 wurde ein Verband der Arbeiterturnvereine gegründet, der sich gleichfalls speziell mit der Jugend befaßt. In Prag fand im Dezember 1904 die Gründung eines ständigen Agitationskomitees statt; dem folgten andere Städte.
Am 29. April tagte in Prag die erste Konferenz der tschechischen sozialdemokratischen Jugend, auf der 22 Jugendkomitees durch 127 Delegierte vertreten waren. Die Agitation erfolgte in zahlreichen Versammlungen, vertraulichen und öffentlichen. Im "Sbornik Mladeze" wird in einer ständigen Rubrik der Militarismus behandelt, was zu häufiger Konfiskation Anlaß gab. (1) In Prag wurde eine Arbeiterakademie unter zahlreicher Beteiligung gegründet. Die nationalen Konflikte mit dem Militarismus (Sprachenfrage und die Vergewaltigung einzelner Soldaten) belebten die antimilitaristischen Tendenzen. Besonders hervorgehoben sei hier der Fall Nemravas, eines Soldaten, der sich weigerte, die Waffen zu tragen, und dafür bestraft wurde. Die Aufzüge der Rekruten in Trauergewändern, die mit Trauermusik auf rotgeschmückten Wagen durch die Städte zogen, wurden zu einer regelmäßigen Einrichtung.
Die Vorgänge bei den Wahlrechtskämpfen der neuesten Zeit haben ergeben, daß die Armee keineswegs mehr als eine unbedingt zuverlässige Stütze der herrschenden Klassen und der Reaktion betrachtet werden kann.
Hier, wo Partei und Gewerkschaft eins sind, oder richtiger - die Partei nur in Form von Gewerkschaften existiert -, begann 1894 in Budapest in der Form von Lehrlingsorganisationen der freien Branchen unter Leitung von Erwachsenen eine zunächst Bildungszwecke verfolgende Jugendbewegung, die aber 1897 unter der furchtbaren Sozialistenhatz Banffys, des "Retters der Bourgeoisie", zusammenbrach. 1899, nach Banffys Fall, wurden von den Arbeiterbildungsvereinen Filialen für jugendliche Arbeiter ins Leben gerufen, die sich gleichfalls der Erziehung ihrer Mitglieder widmeten. Auch sie erlagen im Winter 1901/1902 einer brutalen Treibjagd der Polizei und der Gerichte. Die Jugendlichen zerstreuten sich in die allgemeinen Arbeiterbildungs- und Fachvereine.
Der gewaltige wirtschaftliche Aufschwung des Jahres 1904, in dem sich die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter verfünffachte (von 10 000 auf 52 410 Mitglieder), hob auf seiner Flutwelle auch die Jugendlichen wiederum empor. Die Bewegung, die noch heute immer steigend andauert, gewann auch einen sozialpolitischen Charakter. Die äußere Form war die der Bildungsvereine oder der freien Organisation (in der Provinz) oder (in einigen Orten, zum Beispiel in Preßburg) der Turnklubs. Trotz aller Schikanen und Brutalitäten, Überfälle, Verhaftungen und Konfiskationen gediehen die Organisationen. Eine Zeitung, "Az Ifju Munkas" ("Der Jugendliche Arbeiter"), wurde im Beistand von erwachsenen Arbeitern ins Leben gerufen. Sie bildet den festen Angelpunkt der allenthalben von der Partei geförderten Bewegung und erscheint jetzt in einer Auflage von rund 1500. Im April 1906 fand die Gründung des Verbands jugendlicher Arbeiter statt, der noch gegenwärtig - im Dezember 1906 - vergeblich der nachgesuchten ministeriellen Genehmigung harrt. Die Organisationen stehen offen auf dem Boden des Sozialismus. Ob und in welchen Formen sie eine spezielle antimilitaristische Propaganda treiben, konnte leider nicht festgestellt werden.
Hier ist der Militarismus bisher - abgesehen von dem erörterten großen Eisenbahnerstreikbruch aus dem Januar 1903 - noch wenig lästig geworden, so daß sich der 1900 gegründete, 1903 vorübergehend eingeschlafene, 1906 reorganisierte holländische Jugendbund De Zaaier, Bond voor Jonge Arbeiders en Arbeidsters in Nederland (1) nur in zweiter Linie mit dem Antimilitarismus zu befassen Veranlassung hat.
In seiner (seit 1906 erscheinenden) Zeitschrift "De Zaaier" (2), die von Roland-Holst vortrefflich redigiert wird, nimmt die Bekämpfung des Militarismus immerhin einen beträchtlichen Raum ein.
2 Deren Unterstützung übrigens der Parteivorstand aus äußerlichen Gründen abgelehnt hat. Vorher bezog der Bund längere Zeit den belgisch-flämischen "Zaaier" als offizielles Organ.
Im Winter 1902/1905, dem roten Winter Hollands, wurden vom Zaaier zahlreiche antimilitaristische Versammlungen, besonders in Amsterdam von der Genossin Roland-Holst, arrangiert. Auf dem Kongreß des Zaaier, der am 8. April 1906 in Utrecht abgehalten wurde, fand eine Resolution einmütige Annahme, die den Klassencharakter des Militarismus kennzeichnet und es dem Bund zur Pflicht macht, die jugendlichen Arbeiter über diesen Charakter durch Versammlungen, Vortragskurse, insbesondere in den Tagen der Aushebung, durch Flugschriften und Manifeste aufzuklären und sich bei dieser Propaganda nach Möglichkeit stets mit der Sozialdemokratischen Partei ins Einvernehmen zu setzen. Alljährlich im Oktober werden aus Anlaß der Aushebung Versammlungen gegen den Militarismus abgehalten. Anfang Oktober 1906 hielt der Zaaier in Amsterdam eine Versammlung ab, in der nach einer Rede Mendels' eine scharfe Abgrenzung gegenüber dem anarchistischen Antimilitarismus vorgenommen wurde.
Sowohl die Parteikongresse wie die Gewerkschaftskongresse hatten sich mit der Frage des Antimilitarismus, besonders der Propaganda unter dem Militär, eingehend zu beschäftigen. (1)
Seit langem besteht in Holland der Socialistische Jongelieden Bond, der die von dem kommunistischen Anarchisten Wink redigierte Zeitschrift "De Jonge Werker" herausgibt oder wenigstens herausgab; er steht unter dem maßgebenden Einfluß von Anarchisten, ohne sich doch ausdrücklich zum Anarchismus zu bekennen. Seine Mitgliederzahl ist sehr gering; er scheint sich in einer chronischen organisatorischen Umwälzung zu befinden. Natürlich gibt es auch einen durch die Person Nieuwenhuis' besonders auffälligen, ausgesprochen anarchistischen Antimilitarismus.
Weiter existiert ein Bond van Miliciens en Oud-Miliciens, der seit dem Jahre 1903 eine vom sozialistischen Abgeordneten Ter Laan geleitete Monatsschrift "De Milicien" herausgibt. Dieser Bund ist eine Art politisch neutraler Fachvereinigung mit einem auf die Bekämpfung militärischer Mißstände gerichteten Programm. (1) Sein Gegenstück bildet eine andere - marinistische - Soldatengewerkschaft, der Matrozenbond, dessen Organ "Het Anker", vom Genossen Meyer redigiert, in Helder erscheint. Er hat sich in bezug auf die Verbesserung der Lage der Marinemannschaften viele Verdienste erworben, auch Streikbewegungen inszeniert. Zeitweilig ist er von der Staatsgewscharf bekämpft worden - durch Maßregelung der Führer und Verbot des Verkaufs des "Anker" auf den Schiffen. Die Kammer hat sich öfter mit ihm zu beschäftigen gehabt.
In Schweden kam die sozialdemokratische Jugendbewegung Mitte der neunziger Jahre auf. Die sozialistischen Jugendklubs vereinigten sich zu dem sozialistischen Jugendverband (mit der Verbandszeitschrift "Brand" und dem Sitz in Landskrona), der, von der Partei unfreundlich angesehen, allmählich in anarchistelndes Fahrwasser geriet, wie es in seiner Stellungnahme zur Landesverteidigung, zum Militarismus nach außen, besonders zutage trat. Gegen ihn wurde 1903 in Malmö der Sozialdemokratische Jugendverband, eine ausgezeichnete Organisation, ins Leben gerufen, der seit dem 1. Januar 1906 den "Fram" ("Vorwärts"), eine sehr solide und inhaltsreiche Monatszeitschrift, die nur 10 Oere kostet, herausgibt. Auch er findet in der Partei fast keine Unterstützung. Von 1903 bis 1906 hat er sich von 7 Klubs mit rund 450 Mitgliedern auf 300 bis 400 Klubs mit 14 000 bis 15 000 Mitgliedern gehoben. Er zählte Ende 1906 25 000 Mitglieder und besteht aus zahlreichen Lokalorganisationen. "Fram" erscheint in 35 000 bis 40 000 Exemplaren. Der Sozialistische Verband zählt rund 10 000 Mitglieder; "Brand" (viel kleiner und minder inhaltsreich als "Fram"!) verzeichnet eine Auflage von 10 000 bis 12 000 Exemplaren.
Beide Verbände haben die antimilitaristische Propaganda statutengemäß auf ihre Fahne geschrieben; sie wird besonders durch das geschriebene Wort geführt. Der sozialdemokratische Verband gibt zahlreiche Agitationsschriften in dem Socialdemokratiska Ungdomsforbundets Förlag zu Malmö heraus, darunter: "Ned med Vapnen" ("Die Waffen nieder") von Z. Höglund und "Socialdemokratie och Anarchism" von Kata Dalström. Nach dem "Fram" vom März 1906 wurden die Militärausgaben bekämpft, damit die so verschwendeten Mittel "den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, der Volksaufklärung und der Arbeiterversicherung" (!) zugute kommen sollen. Während der Unionskrise erließ der Sozialdemokratische Jugendverband, der auf seinem ersten, 1905 zu Stockholm abgehaltenen Kongreß unter anderem die Militärfrage in vortrefflicher Weise diskutierte (1), den bekannten Aufruf "Die Waffen nieder!", der das Proletariat zur Dienstverweigerung im Falle eines Krieges mit Norwegen aufforderte und dem Genossen Z. Höglund eine Gefängnisstrafe von 9 Monaten eintrug.
Das liberale Ministerium, dessen Chef der "Halbsozialist" Staaff war, reagierte - ganz wie in Frankreich der "Sozialist" Millerand und jüngst das Ministerium Clemenceau-Briand-Viviani - aufs prompteste und anerkannte damit die Bedeutung der Bewegung. Im Mai 1906 kam das berüchtigte Maulkorb- oder Anarchistengesetz zustande, von dem an anderem Ort zu handeln ist, und bald hagelte es schwere Verurteilungen: Sundström erhielt am 27. September 1906 vom Rathausgericht in Norrköping wegen Abfassung eines an die jungen Wehrpflichtigen gerichteten, vorsichtig gehaltenen Flugblattes ein Jahr Zuchthaus (Strafarbeit). Dieses Urteil löste neben antimilitaristischen Demonstrationen unter den Soldaten zwei Tage darauf eine eindrucksvolle Protestkundgebung in Norrköping aus, die von der Polizei gewaltsam auseinandergetrieben wurde. Aber noch eine höchst witzige Wirkung trat ein, die die Wahrheit des Sprichworts bestätigte: "Wem Gott ein Amt nimmt, dem gibt er oft auch den Verstand wieder." Staaffs Ministerherrlichkeit entblätterte "ach wie bald". Der rauhe Wind des Winters seines Mißvergnügens brachte ihn zur Besinnung; er suchte den Feuerbrand der Klassenjustiz, den er als Minister eifrigst mit entfacht hatte, als simpler Staatsbürger mit den Feuereimern advokatischer Beredsamkeit zu löschen. Er übernahm im Dezember 1906 die Verteidigung des Genossen Sundström in der Berufungsinstanz vor dem Hofgericht in Jönköping, dem er zu beweisen suchte, daß das Gesetz so nicht gemeint gewesen sei. Tatsächlich wurde die Strafe auf sechs Monate ermäßigt! Im Sommer 1906 folgte die Verurteilung des Genossen Olsson, der zur Buße für ein antimilitaristisches Flugblatt "An Smalands Arbeiterjugend" vom Rathausgericht zu Jönköping mit sechs Monaten Gefängnis belegt wurde. Ende September veranstaltete der Sozialistische Jugendverband in Helsingborg und Bjuf bei Gelegenheit des Empfanges der zur Reserve entlassenen Mannschaften antimilitaristische Demonstrationen, gegen die die Polizei mit blanker Waffe einschritt. Viele Teilnehmer an der Helsingborger Demonstration vom 29. September wurden Ende Oktober vom dortigen Rathausgericht zu Zuchthausstrafen von 13 Monaten bis 5 Jahren verurteilt. Vielversprechende Anfänge, durch die aber nur die Form, nicht der Inhund Erfolg der antimilitaristischen Propaganda in Schweden wird beeinflußt werden können.
Am 14. Oktober 1906 fanden zwischen den beiden Verbänden interessante Verhandlungen über eine Verbindung beider Organisationen statt, die sich insbesondere auf die Frage des Antimilitarismus erstreckten. (1)
In Norwegen bestehen lokale Jugendorganisationen seit Jahren, zum Beispiel in Kristiania, Drammen, Larvik und Trondhjem. Der Kristiania Socialdemokratiske Ungdomslag gibt seit Juni 1901 die vortreffliche, auch antimilitaristisch wirkende Monatszeitschrift "Det Tyvende Aarhundrede" heraus, die später in eine Quartalszeitschrift umgewandelt wurde. (1)
Ein Bund der Jugendorganisationen (Norges Socialdemokratiske Ungdomsforbund), mit dem Sitz in Kristiania, wurde im Juni 1903 auf dem Kongreß in Drammen gegründet. Er soll etwa 2 000 Mitglieder zählen, darunter auch zahlreiche weibliche. Er gibt unter der Redaktion von Solberg ein Monatsblatt, den "Jung-Socialist", heraus. Er hat sich die Förderung der allgemeinen, der sozialen und politischen Bildung und im speziellen den Kampf gegen den Militarismus zum Ziel gestellt. Sein Standpunkt gegenüber dem Militarismus ist der der Sozialdemokratischen Partei. Der Kongreß des Bundes, Pfingsten 1905, lehnte den Antrag, den antimilitaristischen Kampf in allen Formen ausdrücklich unter seine Zwecke auf zunehmen, ab.
In bezug auf die antimilitaristische Agitation des Bundes sei die Broschüre des norwegischen Leutnants Michael Puntervold, "Der Militarismus", erwähnt, die in den Garnisonen energisch verbreitet worden ist, und weiter ein Vorgang aus neuerer Zeit mitgeteilt: Am 10. Oktober 1906 fand in Kristiania, einberufen von dem dortigen sozialdemokratischen Jugendverein, eine antimilitaristische Versammlung statt. Sie war vorbereitet durch Zettel, die in allen Kasernen verteilt waren, mit der Aufschrift: "Alle militärischen Vorgesetzten und Gemeinen werden hiermit mobilisiert". Trotz Verbotes von seiten der Militärbehörde war die Versammlung gut besucht. Es sprachen in ihr, was als charakteristisch hervorgehoben werden mag, außer Sundström der Leutnant Puntervold (übrigens ein Redakteur des "Socialdemokrat"), der allerdings damals bereits sein Abschiedsgesuch eingereicht hatte, sowie ein weiterer Redakteur derselben Zeitung, Einar Li, der den Eintritt in die Armee verweigert hatte und deshalb kriminell verfolgt wurde.
In Dänemark sind gleichfalls die Jugendorganisationen Hauptträger der antimilitaristischen Propaganda. Sie entwickelten sich als Gegengewicht gegen die reaktionären, besonders die christlichen Jugendverbände, die eine große Mitgliedschaft besaßen. Die erste von ihnen entstand 1893 oder 1894 in Jütland, gewann aber erst Ende der 90er Jahre einige Bedeutung. In den kleineren Orten Jütlands entwickelten sich um die Wende des Jahrhunderts zahlreiche sozialdemokratische Fremskridtsklebber, die miteinander enge Fühlung unterhielten.
1900 wurde in Kopenhagen eine Ungdomsforening (Jugendvereinigung) gestiftet. Im Frühjahr 1904 schlossen sich die Lokalorganisationen in Kopenhagen zu dem Socialistik Ungdomsförbund i Danmark zusammen, der eine Monatszeitschrift "Ny Tid" ("Neue Zeit") herausgibt. Ursprünglich war er der Gesamtpartei angegliedert und stand mit den Organisationen Schwedens und Norwegens in Verbindung. Er umfaßte bei seiner Gründung 19 Ortsgruppen, teilte das Land in drei Agitationsbezirke und widmete sich der antimilitaristischen Propaganda mit besonderer Aufmerksamkeit. Von seinen Aufrufen, die er in Schweden drucken lassen muß, da er in Dänemark keinen Drucker findet, wurden nacheinander 15 konfisziert, aber bald wieder freigegeben. Da man von militaristischer Seite daran ging, einen militaristischen Jugendverband zu gründen, so wurde im April 1906 eine umfassende antimilitaristische Agitation inszeniert: Abgesehen von Agitationsversammlungen wurde die "Ny Tid" in 50 000 Exemplaren über das ganze Land, besonders unter den vom Urlaub heimkehrenden Soldaten, verbreitet, wobei es natürlich ohne Konfiskationen und Verhaftungen nicht abging.
Der sozialistische Verband geriet allmählich in anarchistelndes Fahrwasser, und zwar noch markanter als sein Gegenstück in Schweden. Der Kongreß vom 20. bis 21. April 1905, auf dem sieben Klubs mit etwa 500 Mitgliedern vertreten waren, nahm eine scharfe Frontstellung gegen die Sozialdemokratische Partei ein, eine Haltung, die der Stimmung in den einzelnen Klubs selbst allerdings nicht entsprechen soll. Sie gab aber den Anstoß zur Gründung eines sozialdemokratischen Jugendklubs in Kopenhagen, der in erster Linie Schulung und Bildung der arbeitenden Jugend und den Kampf gegen den Kapitalismus und den Anarchismus bezweckt und mit der Partei organisatorisch verbunden ist. Der Parteikongreß von Ostern 1906 forderte zur Gründung gleicher Organisationen über das ganze Land hinaus auf und sicherte ihnen moralische und materielle Unterstützung zu. (1)
Von den Vereinigten Staaten von Amerika ist folgendes zu vermelden:
Das Programm der 1874 gegründeten Sozialdemokratischen Partei von Nordamerika enthielt nichts Spezielles in bezug auf den Militarismus, der sich ja auch noch nicht recht bemerkbar gemacht hatte. Im Jahre 1879 wurden, nachdem inzwischen die oben geschilderte Streikschlacht geschlagen war, unter dem Einfluß der Bakuninschen Ideen von den Sozialisten Chicagos und Cincinnatis einige militärische Arbeitervereine unter dem Namen "Lehr- und Wehrvereine" gegründet, die freilich in der Partei heftig angefeindet wurden.
Über die Taktik gegenüber der Armee und der Miliz gingen in der Folgezeit die Meinungen weit auseinander. Besonders von den Trade-Unions suchte man alle Mitglieder des stehenden Heeres und der Miliz wegen des häufigen Einschreitens dieser militärischen Organisation gegenüber den Streiks fernzuhalten. Eine andere Auffassung glaubte gerade durch Herstellung einer engen Fühlung mit den Mitgliedern der bewaffneten Macht die Gefährlichkeit des Militärs zu vermindern. (1)
Die Sozialistische Arbeiterpartei von Nordamerika betrachtet den Antimilitarismus, ebenso wie den Antiklerikalismus, als eine Nebenaufgabe der Arbeiterbewegung. Sie behandelt den Militarismus nicht als eine minderwertige, aber doch als eine subsidiäre Frage und ist streng darauf bedacht zu verhindern, daß die Organisation zu einer bloßen antimilitaristischen Partei entarte. Lee bemerkt, daß, wenn bisher, das heißt bis zum Jahre 1905, in den Vereinigten Staaten nur wenig sozialistische Propaganda unter den Soldaten und den Milizen getrieben sei, die Partei doch mit einer derartigen Agitation begonnen habe.
In dem Chicagoer Programm der Sozialistischen Partei vom Jahre 1904 befindet sich denn auch bezeichnenderweise im Minimalprogramm unter 5 die Forderung: "Verhinderung der Verwendung von Militär gegen streikende Arbeiter" ebenso wie die Betonung der internationalen Solidarität der Arbeiterschaft. (1)
Von Spanien kann hier gleichfalls nicht viel gemeldet werden. Anscheinend herrscht dort sowohl in der Jugendorganisation wie in der antimilitaristischen Agitation, entsprechend den allgemeinen unklaren Parteiverhältnissen, Unklarheit, Zersplitterung, Verwirrung und - Anarchismus. Indessen gibt es eine von der Sozialdemokratischen Partei anerkannte Jugendorganisation, die Federaciòn Nacional de Juventudes Socialistas mit dem Zentralkomitee in dem industriellen Bilbao. Nach den 1906 gedruckten Statuten bezweckt sie: Erziehung in sozialistischen Grundsätzen und Verwendung der so erzogenen Jugend für die Partei.
Im Frühjahr 1906 wurde zu Helsingfors als Abteilung des dortigen schwedischen Arbeitervereins ein Klub jugendlicher Arbeiter gegründet, dem sogleich 40 Mitglieder beitraten. Am 10. März 1906 behandelte der - inzwischen auf 70 Mitglieder angewachsene - Klub den Vorschlag des "Fram", sich dem Verband des Königreichs Schweden anzuschließen. Der Vorschlag wurde trotz sympathischer Aufnahme aus taktischen Gründen bis auf weiteres abgelehnt. (1) Der Klub gab die Agitationsschrift "Kamrot" heraus. Er propagierte die Gründung weiterer Klubs im Lande und die Gründung eines auch die finnischen Organisationen umfassenden Verbandes. Am 9. Dezember 1906 fand in Tammerfors der erste Kongreß der finnischen Jugendorganisationen statt; dort wurde der Anschluß des Verbandes jugendlicher Arbeiter finnischer Nationalität an die Arbeiterpartei beschlossen und die "Bekämpfung des Militarismus in all seinen Gestalten" in die Statuten aufgenommen.
Rußland ist ein besonderes Kapitel und kann hier nicht eingehend dargestellt werden. Einige allgemeine Bemerkungen sind bereits oben gemacht. Nur darauf sei wiederholt hingewiesen, daß die Stellung des Offiziers gegenüber der russischen Revolution eine ganz andere ist als die eines Offiziers gegenüber der Arbeiterbewegung und daß daher der von Plechanow in Nr. 7 des "Tagebuches eines Sozialdemokraten" in bezug auf die Agitation unter den Offizieren eingenommene bejahende Standpunkt an sich konsequent ist. Die Bedeutung der antimilitaristischen Bewegung in Rußland ist außerordentlich, sie geht ins Unendliche der großen Revolution.
Im Jahre 1902 wurde, anscheinend zuerst von französischen Anarchisten, die Abhaltung eines internationalen antimilitaristischen Kongresses mit dem Zweck der Gründung einer internationalen antimilitaristischen Vereinigung angeregt. Beweggrund war in erster Linie das Bestreben, die Unterstützung der Deserteure, die infolge der anarchistischen Propaganda in ziemlich großer Zahl über die Grenzen gingen, im Ausland auf fester Grundlage zu organisieren. Die meisten der Anhänger dieses Kongreßgedankens gehörten zu der oben erörterten Ligue Internationale pour la Défense du Soldat, die einen erfolglosen Versuch internationaler antimilitaristischer Organisation auf Grundlage eines eng begrenzten Programms darstellt. Angeblich fand die Idee in England und in andern Ländern Anklang; ein Komitee bildete sich, allem Anscheine nach unter dem leitenden Einfluß von Nieuwenhuis. (1) Die Parole, unter der der Kongreß zusammenberufen wurde, war so "vielsagend" wie möglich: "Keinen Mann und keinen Groschen für den Militarismus." (2)
2 Vgl. "Ontwaking", August 1904, S. 185.
Die Propaganda für den Kongreß, der ursprünglich im März oder April 1903 in London zusammentreten sollte, trug indes sehr wenig Früchte, obwohl zum Beispiel das Komitee auch die sozialdemokratischen Organisationen, aber natürlich vergeblich, die belgischen Jungen Garden (1) und alle möglichen religiösen und humanitären Antimilitaristen zur Teilnahme zu bewegen suchte. Schließlich wurde in Paris zu dem Zwecke der Agitation für den Kongreß, der, nachdem er vom September 1905, wo er für Amsterdam in Aussicht genommen war, wiederum auf unbestimmte Zeit hatte verschoben werden müssen, ein besonderes Organ, "L'Ennemi du Peuple" (2), gegründet, dessen erste Nummer im August 1905 erschien und das von dem Anarchisten Janvion im Sinne des tollsten Stirnerianismus redigiert wurde. Endlich gelang es im Juni 1904, den Kongreß in Amsterdam zustande zu bringen, vor allem dank der rührigen Arbeit von Nieuwenhuis und unter ziemlich beträchtlicher Beteiligung. Allerdings war es eine höchst buntscheckige Gesellschaft, die sich zusammenfand: Anarchisten aller Schattierungen aus Holland, Frankreich, Belgien, Böhmen (Vertreter einer kleinen Gruppe von Bergarbeitern), einige Vertreter spanischer anarchistischer Gewerkschaften, holländische Tolstoianer, der evangelische Pfarrer Schermerhorn und sonstige Spezialitäten des religiösen und humanitären Antimilitarismus aus Holland, schließlich auch einige englische Trade-Unionisten. (3)
2 "Der Volksfeind", nach dem Ibsenschen Drama.
3 Nach "Ontwaking", August 1904, S. 186, Vertreter von 116 000 englischen Bergarbeitern aus Durham und Northumberland! Die oben erwähnten spanischen Gewerkschafter sollen nach derselben Quelle von der spanischen Gewerkschaftsföderation delegiert gewesen sein und "mindestens 100 000 Arbeiter" repräsentiert haben!!
Der Verlauf des Kongresses, der nur mit Mühe davor bewahrt wurde, sich ausdrücklich in einen anarchistischen Kongreß zur Gründung einer anarchistischen Liga zu verwandeln, und natürlich zunächst mit der Entfernung der individualistischen Anarchisten begann (1), zeigte, daß die widerstrebenden Elemente zu einer einheitlichen Aktion nicht würden zusammengefaßt werden können. Die Tolstoianer und Humanitären wurden ausgeschlossen, der übrig gebliebene Rest votierte einige Resolutionen:
1. eine von der holländischen Delegation vorgeschlagene, die, besonders unter Hinweis auf das Eingreifen des Militarismus in Streiks, den Gewerkschaften zur Pflicht macht, den Militarismus prinzipiell zu bekämpfen, mit den Soldaten freundschaftliche Verbindungen anzuknüpfen und insbesondere mit den zum Militär eingezogenen Gewerkschaftsmitgliedern in ständiger Fühlung zu bleiben;
2. die Resolution Girault (Frankreich), die den Gewerkschaften die Gründung der Jugendorganisationen zum Zweck der antimilitaristischen Propaganda aufgibt;
3. die Resolution Vohryzeck (Böhmen), die den Gewerkschaften "der ganzen Welt" die Taktik der französischen Gewerkschaften empfiehlt (1);
4. eine holländische Resolution, die den Generalstreik als Mittel zur Bekämpfung des Kriegs proklamiert;
5. eine weitere holländische Resolution, die eine antimilitaristische Jugenderziehung, besonders durch Einwirkung auf die Mütter, fordert, und schließlich
6. eine französische Resolution über die persönliche Dienstverweigerung.
An Beschlüssen war also kein Mangel. Außerdem wurde ein umfangreiches Manifest beschlossen, dessen verschwommen-ideologischen Charakter selbst Nieuwenhuis mit anerkennenswerter Schärfe kritisiert hat. (2)
2 Vgl. "Ontwaking", August 1904, S. 196 und 197.
Immerhin wurde die Internationale Antimilitaristenassoziation (Association Internationale Antimilitariste. A.I.A.) gegründet, und zwar mit jener famosen Losung: "Keinen Mann und keinen Cent für das Heer." Als Sekretär wurde Nieuwenhuis bestellt. Gleichzeitig wurde für das Jahr 1905 die Abhaltung eines zweiten Kongresses in Oxford beschlossen. Fest steht, daß der Kongreß von Oxford nicht zustande kam und ebensowenig der Versuch gelang, im Juni 1906 in Genf einen derartigen Kongreß abzuhalten. (1)
Als Tagesordnung war für Genf unter anderm in Aussicht genommen unter Punkt 2:
a) Was sollen wir tun, um den Krieg zu verhindern?
b) Was sollen wir tun, wenn ein Krieg ausbricht?
c) Was sollen die Antimilitaristen tun, wenn während eines Kriegs die Arbeiter eines Landes sich weigern, die Waffe zu nehmen, während ihre Brüder des feindlichen Staates einen bewaffneten Einfall in ihr Land machen?
d) Die Stellung der Arbeiter der neutralen Länder im Falle eines Kriegs.
Das Problem der internationalen Wehrlosmachung und des Hervéismus ist hier in seiner praktischen Bedeutung mit aller wünschenswerten Offenheit aufgerollt.
Punkt 5 lautete: Der Antimilitarismus, die partiellen Streiks und der soziale Generalstreik zur Aufrichtung einer kommunistischen Gesellschaft.
Unter dem Einfluß von Nieuwenhuis kam im Oktober 1904 ein holländisch nationaler Antimilitaristenkongreß in Zwolle zustande, auf dem Nieuwenhuis einen höchst optimistischen Bericht über den Stand der internationalen Assoziation erstattete und unter anderem mitteilte, daß außer "L'Ennemi du Peuple" in Marseille ein Blatt "L'Action Antimilitariste" gegründet worden sei, und der weiter beschloß, eine nationalholländische antimilitaristische Vereinigung als Teil der internationalen Assoziation zu gründen. In Frankreich entwickelte sich die Assoziation angeblich sehr rasch. Im Juli 1905 fand zu Etienne ein Nationalkongreß statt, an dem nach dem Bericht der A.I.A. "zahlreiche Gruppen" teilnahmen. Es wurde ein Nationalkomitee gegründet und die Herausgabe eines nationalen Organs beschlossen, das aber erst seit dem 1. Oktober 1906 mit dem eben erwähnten Titel "L'A.I.A." (den Anfangsbuchstaben des Namens der Organisation) als Bulletin der Assoziation monatlich einmal in Paris erscheint. Der Kongreß beschloß weiter für den Kriegsfall: Reservistenstreik, Gehorsamsverweigerung der Soldaten und Insurrektion; für den Fall des Generalstreiks: nachdrückliche Unterstützung der kämpfenden Arbeiterorganisationen. Die Desertion wurde nicht unter die Aktionen der Vereinigung aufgenommen, vielmehr die materielle Verantwortung für sie, von Ausnahmefällen abgesehen, abgelehnt.
Wichtig vor allem war der Beschluß, sich auf keine Partei"doktrin", weder die anarchistische, noch die sozialistische, festzulegen, sondern einen selbständigen interparteilichen revolutionären Charakter zu bewahren; doch wurde die Insurrektion für den Fall eines Beschlusses der Assoziation zur Pflicht gemacht, und - hier schaut der anarchistische Pferdefuß heraus - die Wahlbeteiligung ausgeschlossen. Das Pariser Nationalkomitee gibt außer dem Bulletin Publikationen der A.I.A. in Paris heraus (1), unter denen sich eine 1906 erschienene Broschüre über Ziel, Mittel und Aktion der A.I.A. (2) befindet. Das bekannte, am 31. Dezember 1905 von den Pariser Geschworenen aufs härteste geahndete Flugblatt "Aux Conscrits" ("An die Ausgehobenen") war auch von Mitgliedern des Nationalkomitees unterzeichnet. Soweit den Bulletins zu entnehmen ist, besteht eine beträchtliche Zahl von Ortsgruppen ("Sektionen"), aus deren schlechter Finanzlage sich indessen schließen läßt, daß sie nicht sonderlich zahlreich sind. Die erwähnte Broschüre über Ziel, Mittel und Aktion der Vereinigung charakterisiert sie kurz dahin: "Sie ist eine Kampforganisation; sie fordert von ihren Mitgliedern für den gegebenen Fall Bereitschaft zu einer direkten, gewaltsamen, aufrührerischen Aktion. Ihre einzige Fürsorge und das einzige Ziel ihrer Tätigkeit ist: dem Militarismus einen Willen zur Revolte, eine Macht, die ihn womöglich vernichtet, entgegenzusetzen." Also Anarchismus und Putschismus trotz alledem. Das zeigt sich auch in der eigenartigen Diskussion des "Vorwurfes" gegen die Assoziation, eine Organisation zu sein. (3)
2 "L'A.I.A., son But, ses Moyens, son Action".
3 "L'A.I.A.", S. 15/16.
Auch in der Schweiz bestehen einige Sektionen der A.I.A. Während der Tagung der internationalen Kongresse in Paris 1900, beziehungsweise in Amsterdam 1904, wurden internationale Konferenzen der sozialistischen Jugend abgehalten, die jedesmal den Nationalrat der belgischen Jungen Garden mit der Herstellung einer internationalen Verbindung beauftragten, was jedoch nicht ausgeführt wurde.
Eine internationale Verbindung der Jugendorganisationen ist also bisher vergeblich versucht worden. Sie dürfte indessen nicht mehr weit im Felde sein.
Kapitel 5 |