Im Jahre 1893 entstand die "Polnische Sozialistische Partei" (PPS), die hauptsächlich für die Unabhängigkeit Polens eintrat und die sehr nationalistisch eingestellt war. Gegen diesen Nationalismus gründete Rosa Luxemburg zusammen mit Leo Jogiches und Julian Marchlewski die Zeitschrift "Sprawa Robotnicza" (Arbeitersache). Luxemburgs These war, das die Unabhängigkeit Polens nur durch eine allgemeine Revolution in Deutschland, Östereich und Rußland möglich wäre. Die Aufgabe sei daher nicht der Kampf für ein unabhängiges Polen, sondern der Kampf gegen den kapitalistischen Staat überhaupt. Dabei leugnete Rosa Luxemburg auch das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, ein Fehler, den sie bis zu ihrem Tod nicht überwunden hat. Lenin hat seinen Streit mit ihr 1913 kommentiert: "Darin besteht eben der Kernpunkt des lächerlichen Fehlers Rosa Luxemburgs, dessentwegen sie schon vor langem sowohl in der deutschen als auch in der russischen Sozaildemokratie (1903) ausgelacht wurde: daß man aus Furcht, dem bürgerlichen Nationalismus der unterdrückten Nationen in die Hände zu arbeiten, nicht nur dem bürgerlichen, sondern selbst dem reaktionären Nationalismus der unterdrückenden Nationen in die Hände arbeitet." (Werke, Bd. 17)
1893 kommt es zur Spaltung der PPS und der Gründung der "Sozialdemokratie des Königreichs Polen", deren Vorsitzende Rosa Luxemburg und Leo Jogiches sind. Etwas später schließen sich Gruppen polnischer Arbeiter aus den Gebieten Grodno und Wilna an (u. a. auch Felix Dzierzynski), so daß die Partei in "Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens" umbenannt wird.
1897 beendet Rosa Luxemburg ihr Studium, erhält den Titel Dr. jur. und siedelt nach Deutschland über, um unter den polnischen Arbeitern in Posen und Oberschlesien legal zu arbeiten. Sie arbeitet unter anderem für die Leipziger Volkszeitung und organisiert Versammlungen der polnischen Arbeiter. Nach einigen Jahren nimmt sie ihren festen Wohnsitz in Berlin. Zu dieser Zeit vertrat Eduard Bernstein die Behauptung, der Kapitalismus hätte sich geändert, sei friedlich geworden und eine Aussöhnung der alten Gegensätze sei möglich. Bernstein forderte, den Sozialismus als Ziel aufzugeben, nicht für die Revolution sondern für Reformen einzutreten. Dagegen schrieb Rosa Luxemburg 1899 ihr Buch "Sozialreform oder Revolution", eine gründliche Abrechnung der Ideen Bernsteins.
1907 wurde Rosa Luxemburg als Dozentin für politische Ökonomie an die Zentrale Parteischule der deutschen Sozialdemokratie berufen. Aus ihren Vorlesungen entstand die "Einführung in die Nationalökonomie", die erst fünf Jahre nach ihrem Tod herausgegeben wurde. Das Buch ist unvollständig geblieben, da nur ein Teil des Manuskripts in ihrem Nachlaß gefunden wurde.
1910 nahmen die Wahlrechtskämpfe gegen das Dreiklassenwahlrecht einen neuen Aufschwung, in Berlin demonstrieren 100 000 Menschen und in vielen Städten des Reiches kommt es zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei. Für Rosa Luxemburg ist es klar, daß "die preußische Wahlreform unmöglich durch parlamentarische Mittel gelöst werden kann, nur eine unmittelbare Massenaktion draußen im Lande vermag hier Wandel zu schaffen".
Der politische Massenstreik und die Gewerkschaften (1. 10. 1910)
Aber plötzlich reißt die Bewegung ab. Der sozialdemokratische Parteivorstand hatte in einem geheimen Rundschreiben die Weiterführung der Kampagne verboten! Karl Kautsky, der als der größte Theoretiker der SPD gilt, tritt jetzt offen gegen Rosa Luxemburg und die öffentliche Erörterung des Massenstreiks auf. Kautsky lehnt auch die Forderung der Republik ab.
In diesem Zusammenhang nahm Rosa Luxemburg etwas später auch noch
einmal Stellung zum
Frauenwahlrecht (12. 5. 1912)
1914. Es ist Krieg. In ganz Europa sind die Menschen wie versessen, einander die Kehle durchzuschneiden. So allgemein der Wahn, so allgemein war ein Jahr später auch das Schädelbrummen. "Gefallen für Kaiser und Vaterland" - im Stacheldraht in Flandern oder in den Karpaten verreckt! Wer war schuld, warum hatten alle Führer der deutschen Arbeiterbewegung zur Verteidigung der abendländischen Kultur aufgerufen, obwohl sie es besser wußten ? Wie konnte es soweit kommen ? Rosa Luxemburg versucht diese und andere Fragen zu klären. Ihre berühmt gewordene Junius-Broschüre, im April 1915 heimlich im Gefängnis geschrieben und ein Jahr später illegal in Deutschland verbreitet, versucht Antworten zu geben.
Als Rosa Luxemburg am 10. November 1918 in Berlin entrifft, ist die Novemberrevolution bereits in vollem Gange. Der Kaiser hatte abgedankt und war in die Niederlande geflohen. Sein letzter Kanzler, Max von Baden, hatte die Regierung an den Sozialdemokraten Ebert übergeben, der darauf gestand: "Ich hasse die soziale Revolution wie die Sünde." Überall wurden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet. Während die rechten Sozaildemokraten bereits ihr Bündnis mit Hindenburg und Groener abgeschlossen hatten, blieben die Unabhängigen (USPD) weiter untätig.
Die Führer des Spartakusbundes, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Wilhelm Pieck, Leo Jogiches, Clara Zetkin, Franz Mehring u.a., taten in diesen Tagen Übermenschliches, um der Revolution Ziel und Richtung zu geben. Rosa Luxemburg, die schon mit angegriffener Gesundheit aus dem Gefängnis gekommen war, wurde die Seele der neugegründeten "Roten Fahne". Der Forderung nach Bildung einer Räteregierung stellten die SPD und die anderen bürgerlichen Parteien die Losung der Nationalversammlung entgegen, die auf die Bewahrung der alten Verhältnisse mit einem neuen Parlament hinauslief.Gleichzeitig gründete der sozialdemokratische Stadtkommandant von Berlin, Otto Wels, eine Soldatenwehr von 15 000 Mann, die eine zuverlässige Truppe gegen die Revolution bildete.
Die Massen blieben indes in Bewegung und begannen, sich ihren unmittelbaren Forderungen zuzuwenden. Eine riesige Streikwelle ging durch das ganze Land, in der neben wirtschaftlichen Forderungen immer wieder die verschwommene Forderung der Sozialisierung aufgestellt wurde. Hier machte sich das Fehlen eines klaren Programms bemerkbar. (Siehe dazu Was will der Spartakusbund von Karl Liebknecht). Aber es fehlte nicht nur das Programm, sondern auch die klare organisatorische Trennung von der SPD. Endlich, am 31. Dezember 1918, wurde die KPD gegründet.
Zur gleichen Zeit liefen schon die Vorbereitungen zur Niederschlagung der Revolution. General Groener hat später ausgesagt: "Am 29. Dezember hat dann Ebert Noske herangerufen, um die Truppen gegen Spartakus zu führen. Am 29. sammelten sich die Freiwilligenverbände, und nun konnte der Kampf vor sich gehen." Unter beleidigenden Vorwürfen wurde der Berliner Polizeipräsident Eichhorn (USPD) abgesetzt und durch Eugen Ernst (SPD) ersetzt. Es kommt zu großen Demonstrationen, zu denen die Obleute, die USPD und die KPD aufrufen. Nach Provokationen wird das Zeitungsviertel besetzt. Eugen Ernst: "Wir haben Spartakus zum frühen Losschlagen gezwungen. Sie mußten angreifen, ehe sie es wollten, und wir waren deshalb in der Lage, ihnen zu begegnen." Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht u.a. erkannten die Gefahr und waren gegen den Aufstand. Als er aber nicht zu verhindern war, taten sie alles, um ihn zum Erfolg zu führen. Und wieder begannen die Führer der USPD Verhandlungen mit Ebert. Die Berliner Arbeiter unterlagen in jenen Januartagen, denn ihre Führer schwankten und zauderten, - und die KPD war noch viel zu schwach, um die Führung zu übernehmen.
Das Versagen der Führer (11. 1. 1919)
Kartenhäuser (13. 1. 1919)
Am Abend des 15. Januar 1919 wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zusammen mit Wilhelm Pieck in Wilmersdorf verhaftet. Wilhelm Pieck hat davon später berichtet: "Durch einen noch nicht aufgeklärten Verrat war aber den Weißgardisten bereits am nächsten Tag der neue Aufenthvon Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bekannt geworden. Als der Verfasser dieses Artikels am Abend des 15. Januar gegen 9 Uhr die beiden Genossen in ihrer Wohnung aufsuchen wollte, war die Wohnung militärisch besetzt und Karl Liebknecht schon verhaftet und abtransportiert worden. Rosa Luxemburg befand sich noch in der Wohnung und wurde von mehreren Soldaten bewacht. Auch ich wurde beim Betreten der Wohnung von den Soldaten festgenommen und durchsucht. Nach kurzer Zeit kam eine Anzahl Soldaten unter Führung von zwei Zivilisten, die der Wilmersdorfer Einwohnerwehr angehörten, einem Ingenieur Lindner und einem Gastwirt Mehring, um die Wohnung zu durchsuchen. Sie zwangen Rosa Luxemburg, die wegen heftiger Kopfschmerzen im Bett lag, aufzustehen und sich anzukleiden, und nach kurzer Zeit wurden sie und ich auf die Straße geführt und genötigt, ein Auto zu besteigen, das nach kurzer Fahrt vor dem Eden-Hotel, einem der größten Berliner Hotels in der jetzigen Budapester Straße, hielt. ... Rosa Luxemburg wurde sofort in die erste Etage des Hotels gebracht, wo ein Hauptmann Pabst als sogenannter Gerichtsherr sie einer Vernehmung unterzog." Den Mord an Rosa Luxemburg schildert E. Gumbel so: "Als Rosa Luxemburg durch den Haupteingang des Eden-Hotels fortgeführt wurde, stand derselbe Runge an der Tür. Hauptmann Petri hatte Befehl gegeben, man solle dafür sorgen, daß die Luxemburg nicht lebendig ins Gefängnis komme. Als Frau Luxemburg durch die Tür kam, schlug Runge ihr zweimal auf den Kopf, so daß sie umsank. Der den Transport führende Oberleutnant Vogel hatte nichts dagegen getan. Man schob Frau Luxemburg in den Wagen. Als der Wagen abfuhr, sprang ein Mann von hinten auf und schlug sie mit einem harten Gegenstand auf den Kopf. Unterwegs schoß Oberleutnant Vogel der Frau Luxemburg noch eine Kugel durch den Kopf. Man fuhr zwischen Landwehrkanal und Zoologischem Garten entlang. Am Landwehrkanal stand eine Gruppe Soldaten. Das Auto hielt, die Soldaten warfen die Leiche auf Befehl Vogels in den Kanal. Die am Mord Beteiligten ließen sich am Tage danach bei einem Saufgelage photographieren."