Besonders 1933 gab es viele Tote in der Arbeiterbewegung. Und zuweilen wurde das Begräbnis zur Anklage.

Widerstand im 3. Reich


An Frau Emmy Sonnemann


[ francais ]

Das Begräbnis wird zur Massendemonstration

Über die Beerdigung des Genossen Karl Hoffmann, Altenessen, schreibt uns eine Arbeiterfrau:

"Der Arbeiter Karl Hoffmann aus Altenessen wurde im Oktober 1934 zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 15. 3. 35 bekam die Familie des Arbeiters Karl Hoffmann ein Telegramm, aus dem Zuchthaus Münster, daß sich Karl Hoffmann im Zuchthaus erhängt habe. Die Angehörigen holten am selben Tag die Leiche nach ihrem Wohnort. Am Montag, den 18. 3. 35, nachm. 4 Uhr, fand die Beerdigung des angeblich sich im Zuchthaus Erhängten statt. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht durch die Arbeiterviertel.

Die Bevölkerung des gesamten Stadtteils sympathisierte mit diesem Opfer des faschistischen Blutregimes so sehr, daß an der Beerdigung 1500 Personen teilnahmen. Die Gestapo sah in dieser Beerdigung eine Demonstration und glaubte, daß eine geheime Organisation diese Beerdigung organisiert hat. Noch bevor der Zug den Friedhof in Essen-Altenessen erreicht hatte, waren 3 Uniformierte und 8 Gestapobeamte auf dem Friedhof anwesend. Zu gleicher Zeit stand ein äusserlich harmlos erscheinendes Möbelauto der Speditionsfirma van Eupen eine Minute vom Friedhofseingang entfernt, in dessen Inneres Gestapoleute in Uniform und Zivil eingepfercht waren.

Als der Zug den Friedhof erreichte und der Sarg in die Gruft gelassen wurde, pflanzten sich Uniformierte an den Ecken des Grabes auf. Im Zug wurden 20 Kränze mit roten Tulpen getragen. Die Teilnehmer fingen, an ein Beerdigungslied ("Bist Du nun zur Ruhe gegangen") zu singen. Da tönten die Stimmen der Staatsgewalt: "Aufhören, ich verbiete das Singen !" Gleichfalls durfte der bei der Beerdigung zugelassene Redner nicht sprechen.

Der Teilnehmer bemächtigte sich eine ungeheure Erregung. Es wurden Rufe laut; "Ist das denn kein Mensch, daß er wie ein Tier verscharrt werden muß." Ein Arbeiter rief: "Lebe wohl Bruder, wir vergessen Dich nicht !"

Am nächsten Tag warf die Gestapo die Kränze auseinander und suchte nach verbotenen Inschriften. Sie fand nichts anderes als: "Gewidmet von Deinen Freunden!" - Am nächsten Tag nahm die Gestapo eine Reihe von Verhaftungen vor. Verhaftet wurden u. a.: die Frau, die Mutter, der Bruder, Freunde und selbst Frauen, die aus "Menschen- und Christenpflicht" die Nachbarschaft zur Beerdigung aufgefordert hatten, im ganzen rund 30 Personen. Außerdem sperrte die Gestapo allen, die an der Beerdigung teilgenommen hatten die Winterhilfsunterstützung. Das ganze Stadtviertel wurde betroffen, da die meisten erwerbslos sind. Es kam sogar vor, daß diejenigen, die schon einmal die ausgegebenen Markscheine (5 Mk. pro Person) erhalten hatten, dieses Geld am Stempelgeld abgezogen erhielten."

In ganz Essen, in den Arbeitervierteln, bei Krupp und in den Gruben war es Tagesgespräch, wie die Arbeiter einem ihrer gemordeten Kameraden die letzte Ehre erwiesen haben. Das war zugleich Karl Hoffmanns letzte Demonstration inmitten seiner Kumpels. Die Verhaftungen selbst haben keine Depression herbeigeführt, sondern den Hass gegen die braunen Mörder nur noch tiefer in den Herzen der Essener Arbeiter eingegraben. Und die SA diskutierte: "Die Kommune ist nicht totzukriegen. Wehe uns, wenn sie siegt !"

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In Wuppertal, wo Görings schwarze Banden sechs Arbeiter viehisch misshandelten und buchstäblich totschlugen, gestalteten sich die Beerdigungen von zwei der Ermordeten ebenfalls zu Massenkundgebungen der Bevölkerung. Als dann die Gestapo die Teilnahme am Begräbnis der übrigen vier verbot, lief es durch die ganze Stadt: "Ist es nicht eine Schande, daß die Ermordeten bei Nacht und Dunkelheit verscharrt werden!?"

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In Hamburg glaubte die Gestapo des Herrn Kaufmann besonders klug jeder Begräbnisaktion aus dem Wege zu gehen, indem sie den Familien ermordeter Arbeiter einfach deren Asche im Postpaket zusandten. Aber innerhalb 24 Stunden wußten es die Hamburger Arbeiterviertel und Betriebe, die Schiffe, die auf hohe See, in andere Länder fuhren, trugen es mit in die ganze Welt, wessen die Kulturbarbarei der Hitler und Goebbels fähig ist.

Mögen die Faschisten noch so viele Methoden anwenden, um vor den breiten Bevölkerungsmassen ihre Mordtaten zu verstecken, die Kommunisten werden die Methoden finden, um ihren toten Helden die letzte Ehre zu erweisen und die Toten selbst ihre letzte Mahnung an die Kämpfenden ergehen zu lassen.



Widerstand im 3. Reich


An Frau Emmy Sonnemann


Letzte Änderung: 17. May. 2001, Adresse: /deutsch/antifad.html