Das damalige Böhmen, ungefähr die heutige tschechische Republik, ist im 14. Jahrhundert durch die Silberwerke in kurzer Zeit sehr reich geworden. Insbesondere das Silberbergwerk in Kuttenberg, das 1237 erschlossen wurde, lieferte jährlich einen Ertrag von 100 000 Mark, 1 Mark entsprach einem halben Pfund Silber. Diese Reichtümer kamen in erster Linie dem böhmischen König und der Kirche zugute, die wiederum einen großen Anteil an den Papst abführte. Aus den Zunftmitgliedern der Bergwerksorte wurden wohlhabende Bürger, die ihre Knappen für sich arbeiten ließen und selbst z. B. in Prag wohnten. Im buchstäblich "goldenen Prag" entstand 1348 die erste Universität im deutschen Reich (Vorsicht: man darf das deutsche Reich nicht mit Deutschland verwechseln, Nationen, so wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht). Bedingt durch den Reichtum aus den Silberbergwerken entwickelten sich Produktion und Handel mit Gebrauchs- und Luxuswaren.
Das führte zu Konflikten zwischen der Kirche und der Masse der Bevölkerung, zwischen Kaufleuten und Handwerksmeistern und den Adligen, die ihre Privilegien sichern wollten, sowie zwischen den Bauern, die sich aus der Leibeigenschaft befreien wollten, und den Grundherren. Verschärft wurden diese Gegensätze durch die schnell steigenden Preise, die vorwiegend den reichen Bürgern zugute kamen, und gleichzeitig Bauern und kleinere Adlige verarmen ließen. Dazu kam noch ein nationaler Gegensatz: die Könige Ottokar II. und Karl I. hatten in großem Umfang deutsche Bauern, Handwerker, Kaufleute, Künstler usw. angeworben. In Kuttenberg, Deutschbrod und Iglau lebten fast ausschließlich Deutsche. Die Prager Universität war genauso fest in deutschen Händen wie die oberen Ränge der Kirche. Die Deutschen erschienen den Tschechen überall als reiche Ausbeuter oder Konkurrenten. Und umgekehrt waren die Deutschen an den bestehenden Verhältnissen, insbesondere an der Macht der Kirche zu ihrem eigenen Nutzen interessiert.
Jan Hus |
Bewegung kam in die Sache durch Jan Hus (1369-1415), einen Professor an der Prager Universität. Hus drückte die Unzufriedenheit der tschechischen Bürger aus, wobei er auch auf die Lehren von John Wyclif zurückgriff. Darauf reagierte die Universität prompt: 45 Wyclifsche Thesen wurden als Ketzerei verdammt. Der Streit eskalierte und schließlich griff König Wenzel ein, der 1409 den Tschechen an der Universität drei Stimmen und den Deutschen nur eine gab. Die meisten Deutschen Professoren und Studenten verließen Prag und zogen nach Leipzig, während Hus zum Rektor der Prager Universität gewählt wurde. Das verstärkte aber die Spannungen mit der Kirche. Als der Papst 1412 wieder Ablaßzettel (sozusagen Anleihen auf himmlische Vergebung irdischer Sünden, also wertloses Papier) verkaufen ließ um sich Geld zu beschaffen, kam es in Prag zu Zusammenstößen zwischen hussitischen Tschechen und katholischen Deutschen. König Wenzel versuchte die Situation in den Griff zu bekommen, in dem er Hus, aber auch vier päpstliche Theologen aus Prag auswies.
1414 trat in Konstanz ein Konzil zusammen, das einen neuen Papst einsetzen und das Problem der tschechischen Ketzerei lösen sollte. Denn es bestand die Gefahr, daß das Königreich Böhmen sich von der katholischen Kirche und vom deutschen Reich loslösen könnte. Kaiser Sigismund, der Bruder und mögliche Erbe von Wenzel, machte sich berechtigte Sorgen und bewirkte, das Hus - unter Zusicherung freien Geleits - nach Konstanz zitiert wurde. Hus, der auf die Richtigkeit seiner Lehren vertraute, predigte die Notwendigkeit der Armut und Bescheidenheit der Kirche und bestritt die Rechtmäßigkeit weltlicher Herrscher, wenn sie sich einer Todsünde schuldig gemacht hätten.
Hus wurde kurzer Hand eingekerkert und zum Widerruf aufgefordert. Half aber nichts, und so wurde Hus, wie üblich unter Bruch aller Versprechen, am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Aber anstatt damit die Bewegung auszulöschen, wurde der Brand erst recht angefacht.
Immer häufiger kam es jetzt zu Unruhen in ganz Böhmen. Es entstand eine Bewegung, die nach ihrem Symbol, dem Kelch, Calixtiner genannt wurde. Der Kelch des Abendmahls war den Priestern vorbehalten, das Brot den Gemeindemitgliedern. Die Calixtiner wollten den alten Brauch wiedereinführen, nach dem Kelch und Brot für die Gemeinde sein sollten. Wie gesagt, ein Symbol, so gut wie jedes andere.
Die vier Prager Artikel brachten ihre Auffassungen zum Ausdruck:
Neben den eher gemäßigten Calixtinern oder Utraquisten, wie sie auch genannt wurden (utraque bedeutet gleich, weil sie das Abendmahl in beiden Formen wollten) bildete sich ein weit radikalerer Flügel, die Taboriten (nach ihrem Zentrum, der neugegründeten Stadt Tabor).
Die Anhänger der Calixtiner waren im wesentlichen der Adel, der sich die Kirchengüter einverleibte und dadurch an die Bewegung der Hussiten gebunden war, sowie die reichen Bürger von Prag, die sich ebenfalls am Kircheneigentum und später an der Kriegsbeute bereichert hatten.
Jan Zizka |
Anders die Bauern und Handwerker, die nicht einfach nur den alten Herren gegen einen neuen austauschen wollten, sondern die ganze Freiheit wollten. Sie standen genauso fest hinter den Taboriten, was den Taboriten zu einer deutlichen Mehrheit verhalf. Jan Zizka, obwohl Ritter, war ihr General. Die Taboriten waren gegen König und Adlige, erkannten keine weltlichen Herren an und praktizierten, insbesondere in Tabor, Gemeineigentum.
"In dieser Zeit wird auf Erden kein König oder Herrscher, noch ein Untertan sein, und alle Abgaben und Steuern werden aufhören, keiner wird den anderen zu etwas zwingen, denn alle werden gleiche Brüder und Schwestern sein."
"Wie in der Stadt Tabor kein Mein und Dein, sondern alles gemeinschaftlich ist, so soll immer alles allen gemeinschaftlich sein und keiner ein Sondereigentum haben, und wer ein solches hat, begeht eine Todsünde."
König Wenzel lavierte zwischen den Parteien, bis ihm sein Bruder mit militärischem Eingreifen drohte. Als Wenzel jedoch die katholischen Geistlichen wieder nach Prag zurückrief, brachten die empörten Tschechen die Stadt am 30. Juli 1419 unter ihre Kontrolle. Ihr Anführer war Jan Zizka von Trochnow (1360-1424). Dabei kam es zum ersten Prager Fenstersturz: 7 Vertreter des Prager Stadtrats wurden aus dem Fenster des neuen Rathauses gestürzt - und fielen in die unten aufgestellten Spieße. Als Wenzel das hörte, traf ihn der Schlag und er verschied wenige Tage später. Böhmen war von da an eine Republik.
Die Prager Utraquisten versuchten heimlich mit Kaiser Sigismund zu verhandeln, was aber an dessen harter Haltung scheiterte. Und Papst Martin V. ging dann noch einen Schritt weiter, in dem er die ganze Christenheit zum Kreuzzug gegen die Hussiten aufrief. Der Kreuzzug fand 1420 statt und endete in einer Niederlage des katholischen Heeres, das von Zizkas Bauern geschlagen wurde. Es folgten weitere "Kreuzzüge", die das Heer der Hussiten nach Mähren, Schlesien, Ostpreußen (bis nach Danzig), Sachsen, Hessen, Bayern und kurz vor Wien führten. Jan Zizka war 1424 an der Pest gestorben, sein Nachfolger, der Taborit Andreas Prokop (1380-1434), war der Aufgabe aber ebenso gewachsen. Der 4. Kreuzzug löste sich 1427 bei Mies von selbst auf, als die Soldaten das Kriegsgeschrei der Hussiten hörten, desgleichen der 5. 1431 bei Taus. Es gab niemanden mehr, der es auch nur wagte, gegen die Hussiten in den Kampf zu ziehen.
Jetzt halfen dem Kaiser nur noch Intrigen. Deshalb waren Sigismund und der Papst zu Zugeständnissen bereit. Sie versuchten die Utraquisten gegen die radikalen Taboriten aufzuwiegeln, d.h. den Adel und die reichen Bürger gegen die Handwerker und Bauern. Die Kirche verzichtete "großzügig" auf Rache für den Raub ihrer Güter, der Adel sollte sie behalten dürfen. Das waren genau die richtigen Ansprechpartner, denn der Adel, der sich an den Kriegen fast gar nicht beteiligt hatte, weil er gleich zu Beginn die Beute hatte, auf die er es abgesehen hatte, war schon längst nicht mehr an der revolutionären Bewegung interessiert, wohl aber an einem dauerhaften Rechtsanspruch, der auch noch von Rom und dem Kaiser verbrieft werden sollte. Die Einigung kam 1433 zustande, und die Adligen setzten sich am 30. Mai 1434 in der Schlacht von Lipan gegen die Taboriten durch. Aber auch das gelang ihnen nur durch Verrat. In der Schlacht standen sich 25 000 Söldner der Adelsarmee und 18 000 Taboriten gegenüber. Entschieden wurde die Schlacht, die lange unentschieden verlief, durch den Verrat der Reiterei der Taboriten, die mit ihrem Anführer Jan Capek das Schlachtfeld verließ. Von den 18 000 Taboriten wurden 13 000 erschlagen. Damit war die Macht der Taboriten gebrochen.
Vorgeschlagene Links:
http://www.bauernkriege.de/tabor.html | Übersicht der Ereignisse und Namenregister des Hussitentums |
http://de.wikipedia.org/wiki/Taboriten | An diesem Artikel zum Thema "Taboriten" der Online-Enzyklopädie www.wikipedia.de kann jeder mitarbeiten. |
http://www.tabor.cz | Geschichte Tabors,auch über Jan Hus und Jan Zizka von Trocnov |
http://www.glaubensstimme.de/reformatoren/hus/ | Eine Reihe Texte von Jan Hus |
http://www.expage.com/page/gothicpage/ | The history of Gotland and their relation to descendants of goths in Spain and other countries. |