Die französische Revolution von 1789 bis 1794. Von Mirabeau über Danton bis Robespierre.

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Paul Louis Courier


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Die französische Revolution

Inhalt:
Die Einberufung der Generalstände
Der Sturm auf die Bastille
Der Adel dankt ab
Die Republik der reichen Bürger
Das Gesetz "Le Chapelier"
Die Flucht Ludwigs XVI.
Eine neue Verfassung
Krieg gegen Österreich
Danton und der 10. August 1792
Der Kampf zwischen Girondisten und Jakobinern
Der Bürgerkrieg in Frankreich
Der Terror
Der 9. Thermidor und das Direktorium

Ein heißer Sommer hatte die Ernte verbrannt, ein ganzes Land war in unglaublicher Erregung, überall wurden politische Ideen diskutiert, die hohe Geistlichkeit hatte angekündigt, daß sie auf kein einziges Privileg verzichten würde. Die Staatskasse war leer und deshalb konnte sich Ludwig XVI. auch nicht mehr der Einberufung der Generalstände entziehen, seine Verzögerungspolitik war gescheitert. Lomenie de Brienne verkündet gleichzeitig den Staatsbankrott, die Einberufung der Generalstände zum 1. Mai 1789 und seinen Rücktritt. Der Hof hat die Kontrolle der Ereignisse verloren.

Die Einberufung der Generalstände

Ludwig XVI. beruft erneut Necker zum Regierungschef, der aus seinem Privatvermögen dem Staat einen Vorschuß gibt. Im ganzen Land werden Forderungskataloge aufgestellt. Eine Revolution bahnte sich an, daran zweifelte niemand mehr. Die Forderungskataloge, so verschieden und vielseitig sie waren, brachten allesamt die Forderung nach Freiheit zum Ausdruck. Die Forderungen der Bourgeoisie gipfelten alle in einer neuen Verfassung um ihre Rechte dauerhaft zu sichern. Die cahiers de doleance der Landbevölkerung spiegelten den unversöhnlichen Haß der Bauern auf den Adel und zeigten der Bourgeoisie, daß sie hier einen starken Verbündeten hatte. Die cahiers de doleance zeigen aber auch, daß die alte Ständeeinteilung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte: einfache Landpfarrer waren keineswegs gegen die Beschlagnahme der großen Kirchengüter und die Einstellung des Adels hing von seinem Reichtum ab, ob er seine Einkünfte aus der Ausbeutung großer Ländereien zog oder verarmt war, und mancher reicher Bürger, der vom Sklavenhandel oder dem Handel mit den Kolonien lebte, wäre durch das Ende der Sklaverei ruiniert worden. Diese unterschiedlichen Interessen sind die Ursache für die zahlreichen Strömungen, die das Bild der kommenden Revolution prägen.

Man diskutierte den ganzen Winter über. Es war der kälteste seit 1709, die Seine war von Paris bis Le Havre gefroren. Als im Februar die Einberufung der Generalstände verschickt wurde, zogen wieder Gruppen von Bettlern über das Land. Im Frühjahr wurden in den Städten die Lebensmittel rationiert und es bildeten sich wieder Schlangen vor den Bäckerläden, in denen es nur sehr teures und schlechtes Brot gab. Überall wurden Getreidelieferungen geplündert, Steuern wurden fast gar nicht mehr bezahlt, die Not war zu groß. Die Wahlen begannen in einer Stimmung des Aufruhrs. Überall wurden Arbeiter entlassen, die Frauen zuerst. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1789 hat man über 300 Aufstände gezählt, unter der Losung "Brot und Freiheit".

Im April wird in Paris der Garten neben dem Palais Royal für die Öffentlichkeit geöffnet und ist sofort Treffpunkt aller Revolutionäre, die hier die Tagesereignisse kommentieren: Aufruhr am Pont-au-Change, Aufruhr am Pont Marie, Streik bei Reveillon. Der Mann, der jetzt die Sympathien der Pariser hat, ist Phillip Orleans, der bei der ersten Versammlung der Adligen für die Bürger Partei ergriffen hat. Phillip ist ein geschworener Feind der Königin Marie-Antoinette und läßt keine Gelegenheit aus, um gegen den Hof zu intrigieren. Sein Geld hat zahllose Hände geschmiert, auch während der Revolution. Drei Jahre später wird er für den Tod seines Bruders stimmen und sich Phillip-Egalite (Gleichheits-Phillip) nennen lassen. Nützt ihm aber nichts. Dennoch, im folgenden Jahrhundert wird sein Sohn den Thron besteigen.

Am 5. Mai 1789 versammeln sich die Abgeordneten in Versailles. Schon bei der Kontrolle der Mandate stellt sich die wesentliche Frage: wird pro Kopf oder pro Gruppe abgestimmt ? Der Adel brachte seinen Haß offen zum Ausdruck und lehnte jede Form der Zusammenarbeit ab, der dritte Stand war isoliert. Nach einem Monat ergebnisloser Verhandlungen konstituiert er sich am 17. Juni zur Nationalversammlung und erhebt den Anspruch, Steuern zu erlassen. Die Vertreter der Landpfarrer und des verarmten Adels folgten Phillip Orleans und gingen zum dritten Stand über. Als sie drei Tage später ihren Versammlungsort, ein ehemaliges Ballhaus, verschlossen fanden, schworen die 600 Abgeordneten nicht mehr auseinanderzugehen bis eine neue Verfassung beschlossen ist.

Der Sturm auf die Bastille

Am 23. Juni versucht Ludwig XVI. mit einer kraftlosen Rede nochmals die drei Stände zu spalten und bekommt von Mirabeau, der ihm den Willen des Volkes vorhält, eine Antwort, die wie eine Ohrfeige wirkte. Der König gibt nach und erlaubt die Sitzungen der Nationalversammlung, zieht aber gleichzeitig um Paris Truppen zusammen. Die Nationalversammlung verlangt den Rückzug der Truppen, der König lehnt ab. Die Partei der Königin verstärkt ihren Widerstand. Der Hof hatte gespürt, daß die Kraft der Nationalversammlung nicht in den Mandaten lag sondern in der Unterstützung durch das Volk. Und die Abgeordneten hatten sich bisher geweigert, Petitionen der Pariser entgegenzunehmen. Deshalb mußte der Schlag gegen Paris erfolgen. Und die Pariser wurden von Tag zu Tag selbstbewußter, befreiten Soldaten aus dem Gefängnis, griffen Dragoner mit Steinen an. Ludwig XVI. hat Necker durch Breteuil ersetzt und in Versailles jetzt eine Truppe von 25.000 Soldaten zur Verfügung. Aber im pariser Rathaus hat sich ein neuer Stadtrat gebildet, der eine Miliz aufstellt. Die Nationalversammlung hat mit den Ereignissen schon fast nichts mehr zu tun: Am 12. Juli kommt es zu einem Scharmützel mit deutschen Reitern in den Tuilerien. Und die Bewaffnung der Bürger geht voran, Waffenlager und Bäcker werden gleichermaßen geplündert. Am 13. läuten die Glocken. Wann wird der König den Befehl zum Angriff geben ? Am 14. morgens um neun Uhr werden am Invalidendom Kanonen und Gewehre in Besitz genommen. Die Menge, Bürger und Arbeiter gemeinsam, zieht zur Bastille. Der König war mit seinen Truppen im Westen, in Versailles, und hätte mit der Bastille im Osten als Operationsbasis, die Stadt in die Zange nehmen können. Die Bastille war von Karl dem Weisen gebaut worden, um die Stadt in Schach zu halten, und obwohl sie seit langem nur noch als Staatsgefängnis, ein Symbol des absolutistischen Regimes, diente, war die Gefahr vorhanden. Die Befestigung der Bastille war während der vorangegangenen Tage wieder instand gesetzt worden. Wenngleich die Bastille dem Ansturm nicht lange standhielt gab es doch hundert Tote.

Die Bourgeoisie ergreift Besitz von ihrer neuen Macht: Bailly wird zum Bürgermeister von Paris gewählt, Lafayette zum Kommandanten der Nationalgarde. Die Nationalversammlung schickt eine Delegation zum Pariser Rathaus und der König sieht sich gezwungen, Necker wieder einzusetzen. Wer hat den König besiegt ? Das Volk. Wer nutzt den Sieg ? Die Bourgeoisie.

Auf dem Lande werden die Schlagbäume, die alten Zollschranken, zerbrochen und etliche Schlösser gehen in Flammen auf. Die Unruhe ist allgemein, Banden ziehen umher und die unglaublichsten Gerüchte gehen um. Man hat das später die "Große Angst", la Grande Peur, genannt. Vermutlich lag das daran, daß sich die Freude über die neugewonnene Freiheit mit der Furcht vor der Rache der alten Herren mischte. Die Bauern hatten ihr Land in Besitz genommen und verbrannten jahrhundertealte Besitzurkunden, in denen die Adligen aufgezeichnet hatten, was und welche Vorrechte sie den Bauern - wie auch immer - abgepresst hatten. Und wehe dem, der auch nur den geringsten Widerstand wagte, das Massaker folgte meist unausweichlich. So kam es zu einer anderen großen Angst: der Angst der Adligen. Ab Ende Juli verließen sie in einer ersten großen Welle das Land. Aber bald wächst in diesen entthronten Häuptern die Lust auf Rache und sie werden sich mit allen Feinden Frankreichs verbünden.

Der Adel dankt ab

Dem Beispiel Brissot's folgend erscheinen zahllose neue Zeitungen. Die Buchhandlungen können dem Andrang kaum standhalten, so groß ist der Wissensdurst der Menschen. In Versailles führt die Nationalversammlung gemächlich ihre Beratungen fort, sie ist von den Erwartungen der Menschen beinahe gelähmt. In Paris beschließt die Commune üppige Bezüge für ihren Bürgermeister und den Stadtkommandanten, während sie gleichzeitig bemüht ist, die einfachen Bürger aus der Miliz heraus zu drängen. Hatte die Nationalversammlung davon geträumt, nur einige abstrakte Prinzipien zu deklamieren, so änderten beunruhigende Nachrichten aus der Provinz die Situation: die Bauern weigern sich, die feudalen Abgaben zu leisten, setzen ihre Weigerung schriftlich auf und bewaffnen sich, um ihre Forderungen durchzusetzen. Kann sich die Nationalversammlung mit einigen schönen Worten aus der Affäre ziehen und im übrigen untätig bleiben ? Möglicherweise ist alles verloren, wenn sie zu lange zögert. Der berühmt gewordene Enthusiasmus der Nacht des 4. August ist schließlich das Ergebnis der Taten des Volkes: angesichts der Gefahr allgemeiner Aufstände wird die Abschaffung der feudalen Abgaben, des Zehnten, der Privilegien der Zünfte und der Provinzen beschlossen. Eine grundlegende Veränderung, über die die Abgeordneten endlos weiterdiskutiert hätten, wenn das Volk seinen Willen nicht erzwungen hätte. Aber so erschrocken waren die Vertreter des Adels und der Kirche doch nicht, daß sie alles auf einen Schlag aufgegeben hätten. Die Beschlüsse jener denkwürdigen Nacht hatten zwar unwiederbringlich die feudalen Abgaben beseitigt, aber - weise Beherrschung der Begeisterung - für alle anderen Vorrechte eine Entschädigung vorgesehen. Damit glaubten Adel und Geistlichkeit der Revolution den gefährlichen Stachel genommen zu haben. Die Ordnung, ihre Ordnung könne nun wiederhergestellt werden. Sie übersahen nur ein Detail: die Ablösesumme hätte das Vermögen der Bürger um ein Vielfaches überstiegen. Und die Bauern begriffen auch gleich, die Verpflichtung zur Entschädigung der alten Herren führte sofort zu neuen Unruhen. Die Revolution ging weiter.

[Bild von Jean Paul Marat] Steuern und Anleihen stopfen die Löcher in der Staatskasse nur spärlich, die Finanzkatastrophe verschärft sich weiter. Die Nationalversammlung wird erneut widerspenstig. "Unfähig" und "Verrat" ist der Kommentar der Redner in Paris. "Verrat" sagt auch der Volksfreund (l'ami du peuple), den Jean Paul Marat (1743-1793) herausbringt. Gleich zu Beginn der Revolution ist er zum Mitglied des Sicherheitskomittees seines Stadtteils gewählt worden. Als einer der ersten erkennt er den Konflikt, der zwischen der Nationalversammlung und dem Volk besteht. Er ruft dem Volk zu: "Wirst du immer das Opfer deiner Blindheit sein?" Brot wird knapp. Und ist nicht das wenige, das man bekommt, vergiftet ? Englische Agenten und Mittelsmänner des Herzogs von Orleans tragen zur Verwirrung bei. Der König hat die Beschlüsse vom 4. November nicht unterschrieben. Neue Regimenter kommen in Versailles an. Die Versorgung von Paris hört ganz auf. Man prügelt sich von den Bäckereien, als auch noch bekannt wird, daß die königliche Garde den neuankommenden Truppen ein Bankett bereitet haben. War die ganze Revolution umsonst ? Am Morgen des 5. November macht sich ein Zug von 8.000 Frauen mit Gewehren, Piken und Kanonen auf den Weg nach Versailles um Brot zu fordern. Sie bringen nicht nur den König und seine Familie, sondern auch die Nationalversammlung nach Paris. Die Abgeordneten tagen von nun an unter den Augen des Volkes, das an den Debatten regen Anteil nimmt, so wie es Marat am 12. Oktober als erster vorgemacht hat. Jetzt werden eine nach der anderen alle die Reformen beschlossen, die seit langem überfällig waren. Und jede Gruppe, deren Forderungen erfüllt werden, meint den revolutionären Schwung bremsen zu können sobald sie sich am Ziel glaubt. Die ursprünglich einheitliche Bewegung zersplittert sich immer stärker je größer die Erfolge werden. Die, die in der Nacht zum 4. August noch als Revolutionäre galten, werden jetzt von den hinter ihnen stehenden als Konterrevolutionäre bekämpft, die den Lauf der Revolution aufhalten wollen.

Die Republik der reichen Bürger

Der Neue Mensch ist Bürger erst wenn er Vermögen hat: die Reformen gelten nicht für die Armen, die Revolution hört bei denen auf, die nichts haben. Aber im Kampf hat das anders ausgesehen, die Toten vor der Bastille waren so arm, daß man noch nicht einmal ihre Namen kannte. Aber weil die Bourgeoisie auf diese Armen angewiesen war ohne jemals die Absicht zu haben, sie auch am Ergebnis zu beteiligen, lief sie Gefahr, die Führung der Bewegung zu verlieren. Sicher, sie kann sich auf Danton, Barnave und Mirabeau verlassen, aber neue Persönlichkeiten, neue Führer treten auf die Bühne, die das Elend der Armen kennen, wie z.B. Marat. Und er gibt ihnen eine Stimme. Soweit wollte die Bourgeoisie aber gar nicht gehen. Die Perspektive, die durch Marat erkennbar wird, würde jahrhundertelange Anstrengungen der Bourgeoisie zunichte machen. Das Volk darf wohl der Revolution zum Durchbruch verhelfen, aber die Augen zu öffnen - keine Frage. Die Forderungen der Arbeiter beschränken sich vorläufig zwar auf höhere Löhne und einen verkürzten Arbeitstag, aber die Revolution führt schnell zu neuen Erkenntnissen. Die pariser Stadtverwaltung sieht sich in einem Zweifrontenkampf und ergreift Maßnahmen gegen Marat. Er ist gezwungen, sich zu verstecken, seine Zeitung erscheint, verschwindet, erscheint wieder. Die Verfolgungen, denen er ausgesetzt ist, werden nicht mehr aufhören. Indessen entwickeln sich mehrere Affären: Necker spekuliert mit dem Weizenpreis, Lafayette intrigiert mit dem Königshof, der Luxus der reichen Bürger verbittert die Menschen, die sehen, wie der Besitz der Emigranten unter der Bourgeoisie aufgeteilt wird. Die Emigration nimmt weiter zu und die Emigranten sind so zahlreich geworden, daß sie an einen Angriff auf Frankreich denken, womit sie allerdings Ludwig XVI. dem Haß des Volkes ausliefern. Vorläufig ist die Bourgeoisie nicht am Sturz des Königs interessiert. Wesentlich ist zu dieser Zeit der Staatsschatz. Die Güter der Emigranten dienen als Sicherheit der Assignaten, einer Art Hypothek auf den künftigen Verkaufserlös. Dadurch verbessert sich die wirtschaftliche Lage. 1793 werden erneut Assignaten in Umlauf gebracht. Um den Verkauf der großen Güter zu erleichtern werden sie aufgeteilt. Den größeren Bauern ist es möglich, eigenes Land zu erwerben - ein uralter Wunsch wird Wirklichkeit. Die bürgerliche Revolution bekommt auf dem Lande eine breite Massenbasis, denn diese Bauern sind fortan an den Erfolg der Revolution gebunden, sie werden nicht mehr zulassen, daß an ihrem Besitz gerührt wird.

Als dann auch der Kirchenbesitz verstaatlicht wird kommt der Verkauf in Schwung. Und als logische Folge beschließt die Nationalversammlung im Juli die bürgerliche Kirchenverfassung. Dadurch wird die Kirche in Frankreich von der Macht Roms unabhängiger. Währenddessen werden auf dem Marsfeld (da, wo heute der Eiffelturm steht) Tribünen für 200.000 Menschen zum Fest der Föderation am 14. Juli 1790 aufgebaut. Inmitten von Fahnen, der neuen Trikolore, am Fuße des Altars des Vaterlandes, leistet La Fayette den Schwur, den die Menschen, die aus allen Teilen Frankreichs gekommen sind, ihm nachsprechen. Die Gemeinden Frankreichs hatten sich spontan vereint um die Unteilbarkeit Frankreichs zu bekräftigen, es war eine Zeit der Freude in der man glaubte, das Glück sei nun endlich gekommen und die gesellschaftlichen Probleme gelöst - weil man sie nicht erkannte.

Das Gesetz "Le Chapelier"

Die Anzahl der Gesetze, die der König nicht unterzeichnet, wächst. Mirabeau verhandelt mit der Königin. Die Thesen von Marat beherrschen ganz allmählich die öffentliche Meinung in Paris. Überall wird die Erklärung der Menschenrechte aufgehängt, die La Fayette, Talleyrand, Sieyès und Mounier verfasst haben. Die Nationalversammlung beschließt die Abschaffung der Zünfte. Aber die Gesetzestexte sind nicht für das Volk gedacht, und Marat greift sie im Mai 1791 mit folgenden Worten an: "Setzt euch für die Interessen der Arbeiter ein, die den gesündesten, den nützlichsten Teil des Volkes ausmachen, ohne die die Gesellschaft nicht einen Tag existieren könnte." Der Meinung sind auch die Unternehmer, vorausgesetzt, das Eigentum wird respektiert, ist unverletzlich und heilig - das bürgerliche Eigentum wohlgemerkt, nicht das feudale, das gerade abgeschafft worden ist und wodurch die Kirche 4 Milliarden verloren hat. Unruhen, bedingt durch Teuerung und geringe Löhne, die in Saint Etienne und den pariser Vororten ausgebrochen sind, bringen nämlich das bürgerliche Eigentum - Artikel XVII der Verfassung - in Gefahr. Die vorangehenden 16 Artikel behandeln in der Auffassung der Bürger nur die Freiheiten, die zum Genuß des bürgerlichen Eigentums nötig sind, die sie von allen feudalen Fesseln befreien. Um alle Zweifel zu beseitigen und den Forderungen der pariser Arbeiter, die jetzt im Namen der Menschenrechte erhoben werden, ein Ende zu bereiten, bringt ein junger Abgeordneter einen Gesetzentwurf ein, der das Problem insgesamt anspricht: die ersten 16 Artikel der Menschenrechtserklärung dienen nur dem letzten. Le Chapelier, ein Anwaus Rennes, hat an zahlreichen juristischen Texten mitgearbeitet. Seine Berühmtheit verdankt er diesem Gesetz, dessen wahren Charakter Marat enthüllt. Im "Volksfreund" vom 12. Juni veröffentlicht er einen Brief, in dem Bauarbeiter die Konsequenzen aussprechen: "Nicht zufrieden damit, einen enormen Reichtum auf kosten der armen Arbeiter aufgehäuft zu haben, haben diese gierigen Unterdrücker die Unmenschlichkeit soweit getrieben, daß sie sich an den Gesetzgeber gewandt haben um gegen uns ein barbarisches Gesetz zu erlangen, das uns dazu verdammt, Hungers zu sterben." Zwei Tage später berät die Nationalversammlung das Gesetz Le Chapelier, das "Verbindungen verhindern soll, die Arbeiter bilden könnten um den Preis des Arbeitstages zu erhöhen" - und das im Namen der Erklärung der Menschenrechte, denn die Aktionen der Arbeiter bedrohten die Interessen der Bürger. Als ein Abgeordneter nach der Freiheit der Unternehmer fragt, wird betont, das die Freiheiten der Handelskammern nicht beeinträchtigt würden. Das Gesetz wird einstimmig angenommen. Die Revolution, die durch den Mut der Arbeiter gesiegt hatte, verweigerte ihnen jetzt das Koalitions- und Streikrecht, so wie ehedem das königliche Edikt von Villiers-Cotterets. Ein junger Rechtsanwalt, der seit sechs Monaten auf der Abgeordnetenbank sitzt und die hitzigen Diskussionen des Jakobinerclubs beherrscht, bleibt bei der Abstimmung dieses volksfeindlichen Gesetzes stumm: Robespierre. Genauso stumm, wie kurz darauf bei der Auflösung der Nationalwerkstätten, die 20.000 Arbeiter brotlos macht und den Unternehmern billige Arbeitskräfte liefert. Das Gesetz Le Chapelier gehört zu den zähesten der Revolution: ein Jahrhundert lang wird es dem Widerstand der Arbeiter standhalten. Marat war der einzige, der zu dieser Zeit Ursprung und Bedeutung des Gesetzes erkannte. Er sieht die Furcht, die sich der Bourgeoisie bemächtigt, die Furcht vor jedem Zusammenschluß der Arbeiter. Um jeden Preis alles verhindern, was zur Einheit beitragen könnte, die Einheit als einzige aber auch mächtige Waffe des Volkes. Am 18. Juni schreibt er gegen die Nationalversammlung: "Um die zahllosen Versammlungen des Volkes zu verhindern, haben sie der Klasse der Handarbeiter und der Arbeiter das Versammlungsrecht genommen... Sie wollen die Bürger isolieren und sie daran hindern, die öffentlichen Belange gemeinsam in die Hand zu nehmen." Das Gesetz Le Chapelier ist das Dokument, das zum Maßstab der revolutionären Absichten der Bourgeoisie geworden ist; es gibt den neuen Freiheiten Grenzen und Inhalt; es ist der Akt, mit dem die Gesetzgeber einer Klasse die Macht, die sie durch die Hilfe des ganzen Volks erobert hatten, für sich, und nur für sich alleine, behalten wollen.

Die Flucht Ludwigs XVI.

Währenddessen führen die Verhandlungen mit dem Königshof zum Erfolg. Aber am 20. Juni flieht der König, um zur Armee des Marquis de Bouillé zu stoßen. Ludwig XVI. wird in Varennes erkannt und nach Paris zurückgebracht, wo er bis zur Vollendung der Verfassung in den Tuilerien gefangen bleibt. Diese Flucht, die ein Eingeständnis der Verhandlungen mit dem Wiener Hof sind, entmutigen die monarchistischen Abgeordneten keineswegs. Im Jakobinerclub ist die Erregung am größten, die Gemäßigten verschwinden einer nach dem anderen und das Gerücht geht um, Robespierre würde Diktator werden. Marat verlangt die Abdankung des Königs. Der Klub der Cordeliers legt auf dem Marsfeld eine Petition aus, in der die Verurteilung des Königs verlangt wird. Tausende kommen um zu unterschreiben und am Abend des 17. Juni beschließen Bailly und La Fayette auf die Menge schießen zu lassen - 400 Tote und Verletzte. Das Blut der Opfer kündigt die Republik an. Die Nationalversammlung hatte ihre Arbeit als Konstituante vollendet, am 14. September empfängt Ludwig der XVI. feierlich die Verfassung und leistet den Eid. Seine einzige Hoffnung ist die Intervention von außen.

Eine neue Verfassung


Danton
Die Verfassung von 1791 hat allen späteren des bürgerlichen Staates als Modell gedient. Sie war die Verfassung des Reichtums schlechthin. Es gibt zwei Sorten von Bürgern, die aktiven und die passiven. Aktive Bürger sind die, die mehr als den Wert von 3 Arbeitstagen an Steuern bezahlen. Camille Desmoulins darauf: "Ihr habt Jesus zu einem passiven Bürger gemacht. In eurer Verfassung wäre er weder Wahlmann noch aktiver Bürger. Die aktiven Bürger bestimmen die Wahlmänner, die mehr als den Wert von 200 Arbeitstagen an Steuern bezahlen. Der Staat von 1791 wurde somit von 42 980 Wahlmännern geleitet - allen Vermögenden jener Zeit. Montmorency und der Graf von Castellane schlagen vor, der Verfassung die Erklärung der Menschenrechte voran zu stellen. Die Pariser hatten die Bastille gestürmt und die Bauern die Pflichtenhefte verbrannt, um eine Revolution der Reichen zu retten. Hohe Schutzzölle vollendeten das Werk. Nach dem Willen der Importeure in den Häfen, der Großhändler in den Städten, der großen Grundbesitzer und der Industiellen wäre es dabei geblieben. Warum war die Idee der Freiheit so hartnäckig, das sie den Gesetzgeber immer wieder belästigte ? Nachdem ihre Arbeit getan war ging die Nationalversammlung am 30. September auseinander.

Das Parlament, das ihr folgte, war die gesetzgebende Versammlung, gewählt auf der Grundlage der Verfassung von 1791. Die ganze französische Bourgeoisie war in ihr vertreten und die Abgeordneten der Gironde bemühten sich, die Leidenschaften zu beruhigen, ohne jedoch auch nur ein einziges der grundlegenden Gesetze des neuen Regimes anzurühren. Die Emigranten würden ihnen dazu aber bald die Gelegenheit geben, während sich im Westen des Landes die Bauern von den Aristokraten und den Priestern in einen Krieg mitreißen ließen, der der pariser Bevölkerung vor Augen führte, welche Gefahren sie bedrohten. Der Kaiser und der preußische König hatten die Pilnitzer Erklärung veröffentlicht und die Emigranten hatten bei Trier eine Armee unter dem Kommando des Prinzen von Condé aufgestellt und erklärten protzig, sie würden Ludwig XVI. wieder in seiner alten Herrlichkeit einsetzen, mit der Unterstützung ganz Europas. Das war falsch. Die europäischen Könige kümmerte das Schicksal Ludwig XVI. herzlich wenig und die Schwäche Frankreichs war ihnen recht. Aber für die Girondisten kam es darauf an, das Volk den Interessen der Bourgeoisie zu unterwerfen und diese als gemeinsame Interessen aller Franzosen darzustellen. Die Unzufriedenheit über die immer noch elende wirtschaftliche Lage ablenken durch die Bedrohung durch den König und die fremden Mächte. Der Krieg versprach den Girondisten somit zahlreiche Vorteile und die Befestigung der bürgerlichen Gesetze der letzten zwei Jahre. Welcher Krieg ? Die Bourgeoisie beharrte auf ihren Fehlern und glorifizierte Friedrich II. Ihr Feind konnte nur Österreich sein: war Marie-Antoinette nicht auch Österreicherin ?

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Danton und der 10. August 1792
Der Kampf zwischen Girondisten und Jakobinern
Der Bürgerkrieg in Frankreich
Der Terror
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Letzte Änderung: 26. Nov. 2004, Adresse: /deutsch/revfrd.html