Die französische Revolution von 1789 bis 1794. Von Mirabeau über Danton bis Robespierre.

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Paul Louis Courier


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Die französische Revolution

Inhalt:
Die Einberufung der Generalstände
Der Sturm auf die Bastille
Der Adel dankt ab
Die Republik der reichen Bürger
Das Gesetz "Le Chapelier"
Die Flucht Ludwigs XVI.
Eine neue Verfassung
Krieg gegen Österreich
Danton und der 10. August 1792
Der Kampf zwischen Girondisten und Jakobinern
Der Bürgerkrieg in Frankreich
Der Terror
Der 9. Thermidor und das Direktorium

Krieg gegen Österreich

Die Kriegserklärung erfolgte am 10. April 1792. Der Armee mangelte es an allem und dem König schien die Niederlage sicher. Er rafft sich jetzt dazu auf, der gesetzgebenden Versammlung Widerstand zu leisten und legt bei einigen Dekreten sein Veto ein. Wird der Krieg den König befreien oder die Bourgeoisie retten ? Das hängt jetzt davon ab, welche Partei das Volk ergreift. Die Dickköpfigkeit Ludwigs XVI. belebt die allgemeine Erregung, deren Echo nicht nur die pariser Klubs sind. Während sich die Elite der politischen Parteien in ehemaligen religiösen Gebäuden versammelt, gibt es in jedem Stadtteil ein Sicherheitskomitee, so daß die politischen Ideen von der gesetzgebenden Versammlung über die Klubs die Basis in den Komitees erreichten, jene Kraft, die sie seit 1789 verloren zu haben schien. Man hat viel über die großen politischen Führer gesprochen, so daß man die große soziale Tatsache des Jahres 1792 übersehen könnte - die permanente Debatte des politischen Lebens im Volk, die andauernde Diskussion sozialer Fragen, der breite Wettbewerb jener Menschen, die immer zahlreicher an der Debatte teilnehmen. Und in Paris scheint sich das revolutionäre Potential zu erneuern. Die Verfassung von 1791 sah vor, daß die Stadträte von den aktiven Bürgern gewählt werden und nicht von deren Wahlmännern. Aufgepeitscht durch die Aktion der Klubs und der Komitees folgt der pariser Stadtrat, die Kommune, der Volksbewegung. 20. Juni, neue Grundwelle gegen die monarchistischen Widerstände. Die Bevölkerung dringt in den Tuilerienpalast ein und fordert Ludwig XVI. auf, zu gehorchen. Dieser König, den man schwach und labil genannt hat, findet in der Unterstützung durch den Feind die Kraft, sich unerschütterlich zu zeigen. Seine Antwort an das Volk scheint ein Monat später das Manifest zu sein, das der Marquis von Limon geschrieben und der Herzog von Braunschweig, Oberkommandierender der gegen Frankreich verbündeten Truppen, unterzeichnet hat. Die Emigranten in Koblenz bedrohten Paris mit militärischer Exekution, die Girondisten erhielten durch den Krieg die Kraft, die das Volk zu ihrem Verbündeten machte.

Man rief den nationalen Notstand aus, man hob Truppen aus, beschlagnahmte Waffen, Freiwillige meldeten sich, Bataillone aus der Provinz kamen nach Paris, ausgehungert, zerlumpt, bedrohlich. Die revolutionäre Aktion steigerte den Patriotismus; um die Nation zu verteidigen wurde das Volk wieder zur treibenden Kraft der Revolution. Überall wurde das Lied der Föderierten aus Marseille gesungen. Die kriegerische Begeisterung Rouget de Lisles hatte Frankreich das erste nationale Lied beschert. Um die Initiative des Volkes in der Revolution zu bekräftigen, fehlten nur noch Siege. Es errang gleich zwei.

Danton und der 10. August 1792

Im Inneren: die Pariser stürzten die Monarchie in einem Aufstand, der von Danton vorbereitet war, und in dem sich seine Fähigkeiten als Taktiker zeigten. Die Tuilerien wurden gestürmt, die königliche Familie gefangen und man verlangte von der gesetzgebenden Versammlung die Absetzung des Königs. Der Tag des 10. August 1792 und seine 1.000 Opfer bildeten den Grundstein der französischen Republik, in der Hand der Massen durch die Beseitigung des Unterschieds zwischen aktiven und passiven Bürgern, und durch die Forderung nach einer neuen Nationalversammlung, dem Konvent. Die Girondisten hatten die Kontrolle verloren, der König war Gefangener, Frankreich Kriegsschauplatz. Die Intrigen des Hofs und der feindlichen Generäle, die Marat's Volksfreund immer wieder aufgedeckt hatte, werden sichtbar. Marat's Ansehen wächst. Zum Lohn werden ihm die Druckmaschinen der Nationaldruckerei zur Verfügung gestellt. Aus dem Verfolgten wird ein populärer Mann, der die Verräter verurteilt sehen will und die Verdächtigen eingesperrt. Während des Wahlkampfs - man wählt den Konvent - wächst die Angst. Longwy hat kapituliert, Verdun wird binnen kurzer Zeit fallen. Die Angst entlädt sich in den Gefängnissen: am 2. September werden sie vom Aufruhr geöffnet und in einem Massaker geleert. Die Verantwortung dafür, deren Spontaneität nicht mehr bestritten ist, liegt zum Teil bei Danton, der drei Tage lang nichts unternahm um die Massaker zu beenden.

Nach außen: ein weiterer Sieg, der dem revolutionären Schwung zukommt. Am 20. September bringt die Armee von Dumouriez und Kellermann die Preußen bei Valmy zum Stehen - eine kleine Schlacht was die beteiligten Truppen und die Verluste betrifft, ein großer Sieg durch die Folgen. Die Preußen waren vom Elan der französischen Freiwilligen verblüfft und zogen sich zurück, Frankreich entging der Invasion. Am Tag darauf tagt der Konvent und ruft die Republik aus. Marat, der als pariser Abgeordneter gewählt war, verlangt einen größeren Sitzungsraum, in dem auch Platz für ein zahlreiches Publikum wäre. Schon am 25. September bricht der offene Konflikt zwischen den Girondisten und Marat aus. Die Revolution schreitet voran, das Volk gewinnt mehr Einfluß, der Jakobinerklub wird allmächtig. Der König ist verloren, Europa kümmert sich nicht um sein Schicksal und der Krieg wäre vielleicht zu einem Ende gekommen und hätte dem König jede Hoffnung genommen - wenn Dumouriez nicht seinen siegreichen Feldzug, Jemappes fällt am 6. November, nach Belgien weitergeführt und Antwerpen besetzt hätte.

Das beunruhigt London. Die französische Bourgeoisie wollte den Krieg, um die Revolution zu gewinnen. Aber Englands Herrscher werden ihr nicht erlauben, mehr zu gewinnen, vor allem nicht mehr als sie der Monarchie zugestanden hätten: was für England zählt sind nicht die königlichen Gefangenen sondern die Eroberung Belgiens durch Frankreich. Ein ganz anderer Krieg beginnt, ein Krieg, in dem es nicht um das Leben Ludwigs XVI. geht und der erst in Waterloo enden wird.

In diesem internationalen Konflikt, in dem das Land seine Unabhängigkeit auf's Spiel setzt, entgleitet die Revolution zusehends der Kontrolle der Bourgeoisie. Die Menschen, die das Volk jetzt unterstützt und denen es vertraut, sind jene, die sich eben auf die Sans-Culotten berufen und die beweisen wollen, daß sie unbestechlich sind. Robespierre und Saint Just sind ihre Führer. Der bestechliche Mirabeau ist tot, andere sind ins Ausland oder in eine ferne Provinz geflohen, Danton, der ständig Geld braucht, hat keine Skrupel mit den Lameth um das Leben des Königs zu schachern.


Robespierre
Die neue Generation von Revolutionären zeigt, daß die Bourgeoisie, die mit der Revolution die Monarchie und die äußeren Feinde besiegt hatte, jetzt die Revolutionäre bezwingen mußte. Ein Kampf auf Leben und Tod, der 1793 begann. Der Wind, der in diesem Jahr durch den Konvent blies, kam von der Straße, dem Lande, den Komitees. Gewiß, die Jakobinerpartei mit ihren Sektionen in der Provinz, hatte die Wahlen gewonnen. Dennoch zögerte der Konvent wie die vorigen Versammlungen und vergaß alle schönen Versprechen. Der große Eindruck, der vom Konvent blieb, beruht darauf, daß das französische Volk 1793 von seiner Erwartung überwältigt war. Das hatte das Bürgertum nicht gewollt. Und im Konvent hat das Bürgertum das auch nicht toleriert, in keiner Entschließung und in keinem Gesetz. Die Stimme Marats findet woanders Gehör, der Volksfreund wird vom Volk geschätzt und der Jakobinerklub scheint alles zu entscheiden. Der Versuch der Girondisten, die Revolution aufzuhalten, bleibt vergeblich.

Der Kampf zwischen Girondisten und Jakobinern

Dieser Versuch scheitert zwischen zwei Prozessen, die für ihre Absichten bezeichnend sind. Der eine gegen den König, den sie retten möchten. Der andere gegen Marat, den sie vernichten möchten. Der Prozeß gegen den König bringt unangenehme Dinge ans Licht: daß er versucht hat, Revolutionäre zu bestechen und daß er den emigrierten Generälen ihre Bezüge weiter gezahlt hat. Der Prozeß ließ auch keinen Zweifel daran, daß die Girondisten im Urteil ihr eigenes Urteil sahen: ein Teil des Konvents erwies sich als konterrevolutionär. Ludwig XVI. wurde am 2. Januar 1793 enthauptet - die erste Niederlage der Girondisten. Sie sollten bald darauf eine weitere, schwerer wiegende erleiden. Seit Wochen griff Marat den Helden von Valmy als Vaterlandsverräter an, den Eroberer Belgiens, den Danton zur Eroberung der Niederlande ausschicken wollte. Den General Dumouriez anzugreifen, das schien zunächst als sei Marat verrückt geworden. Während eines Aufenthalts in Paris hatte Dumouriez intrigiert, sein Karrierestreben und seine gemäßigte Einstellung führten ihn zum Verrat. Marats Angriffe wurden von Tag zu Tag schärfer. Am 31. März flieht Dumouriez zu den Österreichern und Marat gibt den Jakobinern die Nachricht bekannt, fordert gleichzeitig Danton, der Dumouriez stets geschützt hatte, zu einer Erklärung auf. Die Erregung gegen die zwielichtigen Abgeordneten ist allgemein. Die Girondisten sind unmittelbar bedroht, und handeln. Bei den Jakobinern wird ein Aufruf zu bewaffneter Aktion gefunden und die Girondisten machen Marat dafür verantwortlich, er wird verhaftet. Aber es ist zu spät um die Welle der Empörung aufzuhalten. Durch die Desertion von Dumouriez ist Marat jetzt auf dem Höhepunkt seiner Popularität, durch seinen Prozeß werden die Girondisten verurteilt. Es ist ein bemerkenswertes Symbol dieser Revolution, daß es im Konvent nur zwei namentliche Abstimmungen gegeben hat, einmal zu Ludwig XVI und zum anderen zu Marat - Stellvertreter der beiden Kräfte, zwischen denen das Bürgertum aufzusteigen gedachte: Das ancien regime und das Volk. Marat stellte sich und wurde am 24. April freigesprochen. Der Druck durch das Volk war so stark, daß es an seinem Freispruch keinen Zweifel geben konnte. Die Menge trägt ihn in einem Triumphzug durch die Stadt zum Konvent. Jetzt werden die schuldigen zur Rechenschaft gezogen, diejenigen, die Marat schon angeklagt hat und die der Konvent geschützt hat, ebenso wie sein Wirtschaftsprogramm später vom Wohlfahrtsausschuß verwirklicht wird. Und wieder ist es der Krieg, der über den Fortgang der Revolution entscheiden wird.

England hat gegen Frankreich eine europäische Koalition vereint und den Aufstand der Bauern der Vendée unterstützt. Der Konvent beschließt die levée en masse, die Massenaushebung von Truppen, setzt den Wohlfahrtsausschuß ein und einen Zwölferrat, der Volksaufstände unterdrücken soll, die die Girondisten befürchten. Ihre Drohungen gegen Paris besiegeln ihr Schicksal. Die Kommune stürmt am 31. Mai den Konvent, verlangt die Auflösung des Zwölferrats, befreit Hébert, den die Girondisten verhaftet hatten. Am 2. Juni belagern 80.000 Menschen die Versammlung, die Girondisten sind in Paris besiegt. Mehrere Provinzen, in denen der Einfluß der Bourgeoisie stärker ist, erheben sich gegen die Hauptstadt. Die plebejische Revolution erscheint als eine Pariser Diktatur. Um ihren Patriotismus zu beweisen, rufen die Montagnards zu einem Referendum auf. In nur dreizehn Tagen wird eine neue Verfassung verabschiedet, die das allgemeine Wahlrecht festschreibt, die Dezentralisation der Staatsmacht, und die die Theorie des Privateigentums verankert, woran dem Bürgertum sehr gelegen ist. Die Departements beruhigen sich.

Die Verfassung von 1793 ist der erste Gesetzestext, der das französische Volk erwähnt, auch wenn das allgemeine Wahlrecht noch die Frauen ausschließt (das erst 1945 kommt, mehr als 150 Jahre später !), desgleichen die Soldaten, Dienstboten und landwirtschaftlichen Tagelöhner. Dennoch erschien diese Verfassung, Folge eines Aufstands und der Vernichtung der Girondisten, als die Fahne der Jakobinerrevolution. Aber angesichts der inneren und äußeren Gefahren müssen die siegreichen Jakobiner die Verfassung aussetzen: so ist die Verfassung, die auch die Rolle des Volkes in Angelegenheiten des Staates anerkennt, mitten in der Republik, nicht in kraft getreten.

Der Bürgerkrieg in Frankreich

Einige Girondisten waren geflohen. Sie versuchen, die Departements aufzuwiegeln, während spanische Truppen die Pyrenäen überschreiten, englische Truppen Toulon besetzen und Dünkirchen belagern, die Preussen im Elsaß einmarschieren und die Österreicher im Norden. Frankreich ist durch massive Desertion der Offiziere der Invasion preisgegeben - und der Kampf im Inneren geht erbarmungslos weiter. Die Bourgeoisie konnte Marat nicht besiegen, sie wird ihn ermorden lassen. Eine junge Frau, die von ihr später als Heldin hingestellt wird, kommt von Caen nach Paris. Erdrückende Hitze, Menschen, die im Bewußtsein der Bedrohung von allen Seiten leben. Charlotte Corday bekommt am 13. Juli nach mehreren vergeblichen Versuchen Zutritt zum ami du peuple, dem Volksfreund. Er ist im Bad, sie ersticht ihn. Ein Zettel fällt aus seiner Hand, der Brief, mit dem sich seine Mörderin Einlaß verschafft hat:

"Ich werde um der Sache der Freiheit wegen verfolgt; Ich bin unglücklich; das allein genügt um ein Anrecht auf Ihren Schutz zu haben."

So war der "Blutsäufer" Marat.

Drei Tage später verabschiedet der Konvent das, was man in gewisser Weise das Schlußwort der bürgerlichen Revolution nennen kann: mit dem Erlaß vom 17. Juli 1793 wird die Entschädigung für die alten feudalen Privilegien abgeschafft. Das bedeutet die Liquidation des Feudalsystems. Die Revolution konnte zu Ende gehen, ihr Ziel war erreicht.

Als im August 1793 der Hunger um sich greift, weiß der Konvent, daß er das wirtschaftliche Problem nicht lösen kann, weil er es nie wagen wird, gegen die Spekulanten vorzugehen. Aber kann der Konvent dem Volk nicht statt Brot eine andere Befriedigung geben, wäre es nicht möglich seine Macht mit Hilfe des Terrors gegen verdächtige Elemente zu erhalten ? Ein finsterer Abgeordneter hat dieses Problem auf den Punkt gebracht als er ausrief: "Der Terror muß auf die Tagesordnung gesetzt werden ! Das ist das einzige Mittel, das Volk aufzuwecken und es zu zwingen, sich selbst zu retten." Diese Losung taucht zum ersten Mal in der Geschichte auf. Die Rettung einer Klasse kommt immer aus ihr selbst und dem Bewußtsein der eigenen Kraft.


Saint Just
Die Rechnung ging auf. Brot fehlt immer noch, aber die Komitees befolgen wie im Rausch den Erlaß vom 17. Juli über den Terror: alles fließt zusammen, Denunziation, persönliche Rache und Furcht vor der Invasion. Umsonst donnert Hébert gegen die Verräter. Infolge des Gesetzes über das Maximum, das den Preis der Waren wie auch der Löhne begrenzt, schließen die Geschäfte und Streiks brechen aus. Nur die Geldschieber verlieren zu keinem Augenblick die Kontrolle. Die tollsten Börsenspekulationen werden als revolutionäre Akte verkleidet und Abgaben nur nach Belieben gezahlt. Überall gibt es Verhungerte. Jacques Roux greift den Konvent an, der die Reichen nicht beunruhigt. Und tatsächlich erklärt der Konvent nach der Zwangsanleihe über eine Milliarde, daß nur das Einkommen und nie der Besitz besteuert wird. Im Oktober wird das Koalitionsverbot der Arbeiter erneuert. Die Girondisten werden verurteilt. Saint Just ergreift als Oberbefehlshaber der Armee allerdings Maßnahmen, die den Bankiers und Armeelieferanten gefährlich werden können. Man hat Saint Just einen Sozialisten genannt, weil er wie Robespierre den Reichtum gleich verteilen wollte. Tatsächlich sind beide nie über das Ideal Rousseaus der kleinbürgerlichen Republik hinausgegangen, beide fürchteten die Ausbrüche der Arbeiter ebenso wie den Luxus, der nach wie vor in den Restaurants für Gold zu haben war. Am 10. Oktober erläutert Saint Just die Prinzipien der Revolution, so wie er sie versteht, aber in Gesetzesform bleibt die Zukunft offen. Die Gesetze vom Windmond des Jahres II sehen vor, das Vermögen der Verdächtigen unter den Armen zu verteilen, berühren aber nicht das eigentliche Problem. In ihrem Kampf gegen den Feudalismus hatte das Bürgertum die verschiedensten Kräfte um sich geschart, die alle auf ihre Weise am Erfolg des Unternehmens interessiert waren, von den Pfaffen bis zu den Bauern. In seinem Kampf gegen die Reichen ist das Volk jetzt alleine. Der Feind ist nicht klar zu sehen und man regt sich lieber über Aristokraten, Priester oder das Ausland auf. Die geheimnisvolle Macht des Geldes bleibt undurchschaubar und selbst der Terror vermag ihr nichts anzuhaben. Sicher hatte man vorher noch nie von gesellschaftlicher Befreiung gesprochen, aber isoliert und ausgehungert wie das Volk war, blieb es bei Worten. Die Größe von Saint Just besteht vor allem darin, das er die neuen Möglichkeiten begriff, über die er verfügte, daß das Eintreten für die Republik ein soziales Element des Sieges war und das der gemeinschaftliche Wille sogar die taktischen Operationen umwälzt.

Der Terror

In Paris bringen die Requisitionen die Produktion zum Erliegen, die Revolutionssteuern haben ein etwas besseres Aufkommen als die Zwangsanleihe ohne daß das Versorgungsproblem gelöst wäre. In der Hauptstadt wird die Rationierung eingeführt und in der Gewdes Dramas werden die Führer der verschiedenen Parteien fallen. Die levée en masse hat 700.000 Männer an die Front befördert. Am 15. Oktober erdrücken Jourdan und Carnot die Österreicher bei Wattignies, Hoche besetzt das Elsaß, Bonaparte nimmt Toulon, Couthon beendet nach zweimonatiger Belagerung den Widerstand von Lyon, wo sich die Bürger der Pariser Exzesse erwehrt hatten, der Aufstand der Vendée wird besiegt. Aus dem Volk sind die militärischen Führer erwachsen, die den Sieg zustande gebracht haben: Frankreich hat sich befreit. Die Maßnahmen des Wohlfahrtsausschusses haben alle Hindernisse weggefegt, der Terror alle Energie konzentriert. Alle Komplotte waren aufgedeckt, alle Fraktionen vernichtet. Robespierre, Billaud-Varennes, Saint-Just waren scheinbar die Herren der Revolution und des Landes. Danton, Hébert und zahllose andere waren nach und nach enthauptet worden. Eine illusorische Diktatur, die sich auf keine gesellschaftliche Kraft stützt. Robespierre hat offensichtlich kein Programm mehr, abgesehen von der Guillotine. Während er sowohl im Sicherheitsausschuß als auch im Wohlfahrtsauschuß die Mehrheit schon verloren hat umgibt er sich beim Fest des höchsten Wesens mit einem religiösen Nimbus. Er steht mit dem Rücken zur Wand. Die Revolution braucht den Terror nicht mehr, aber er wird ihn noch verschärfen und bezeichnet als Volksfeinde "diejenigen, die die Pläne der Feinde Frankreichs unterstützt haben, sei es durch Begünstigung der Flucht oder Strafvereitelung der Verschwörer und der Aristokraten, sei es durch Bestechung der Abgeordneten des Volkes, sei es durch Mißbrauch der Revolutionsprinzipien, der Gesetze und Maßnahmen der Regierung durch Hinterlist bei der Durchführung." Das bedeutete, den Terror gegen die Terroristen zu wenden und die hinter ihnen stehenden geheimnisvollen Mächte des Reichtums, die Robespierre treffen wollte: es gab nicht einen Abgeordneten, der nicht um sein Leben fürchten mußte, nicht einen Neureichen, der nicht um sein Vermögen fürchten mußte. Weitere Siege machen schließlich den Terror unhaltbar: die Sambre-Maas-Armee unter Führung von Kleber und Marceau nimmt Charleroi, schlägt die Österreicher bei Fleurus und marschiert am 26. Juni 1794 in Brüssel ein. Von seinen eigenen Freunden verlassen, sieht sich Robespierre verloren. Indem er Hébert auf die Guillotine schickt, löst er sich von den Massen der Ärmsten des Landes und sorgt für Ratlosigkeit in den Klubs, deren Unterstützung er damit verliert. Ihn treibt nicht das Interesse des Volkes sondern seine kleinbürgerlichen Ideale, die aber nur ein schwaches Echo finden. Billaud-Varennes und Tallien sehen das Ende nahen und sprechen das auch offen aus. Im Konvent kann er schon nicht mehr sprechen. Vergebens versucht Saint Just ihn zu verteidigen. Die Revolution hatte ihr Werk vollbracht, weiter konnte sie unter den gegebenen Umständen nicht gehen. Es war nun Sache der Bourgeoisie, die Ordnung wieder herzustellen und ihre Siege zu legalisieren.

Am 27. Juli begeht Robespierre im Gefängnis einen Selbstmordversuch. Er wird auf dem Platz der Revolution hingerichtet, wo viele andere vor dem 9. Thermidor die Guillotine bestiegen hatten.

Der 9. Thermidor und das Direktorium

Der Wohlfahrtsausschuß wurde umgebildet, Barras zum Oberbefehlshaber der Truppen ernannt, Saint Just, Couthon und rund 100 ihrer Freunde enthauptet. Der Konvent ruft die Girondisten und Dantonisten zurück, schließt den Jakobinerklub und schickt Soldaten gegen einen Aufruhr von Frauen, die noch im April 1795 "Brot und die Verfassung von 93" fordern. Ein weiterer Aufstand im Mai wird ebenfalls niedergeschlagen und der Konvent droht, den Vorort St. Antoine beschiessen zu lassen. Die Arbeiter werden entwaffnet, die Not unerträglich, das Vermögen der Schieber unermeßlich und damit jeder den Willen des Konvents begreift, wird die Verfassung von 1793 durch eine neue ersetzt, die das Wahlrecht an ein noch größeres Vermögen knüpft. Die reichen Bürger triumphierten.

Währenddessen gaben sich die Royalisten einem fatalen Irrtum hin. Sie glaubten die Revolution besiegt, als sie endgültig geworden war. Überall in der Provinz und in Paris führte ihr Terror zu neuen Massakern. In England verkündete Ludwig XVIII. seine Rückkehr und die Engländer brachten bei Quiberon tausende von Emigranten an Land. Aber die "Unglaublichen", die gegen die "Patrioten" kämpften, kamen nicht weit. Der Konvent unterzeichnete den Baseler Frieden, Frankreich war um Einiges größer aus diesem Krieg hervorgegangen, den England in kürze wieder aufnehmen wird. Siegreich nach außen, hat das Bürgertum nicht die Absicht, seine innenpolitischen Erfolge aufzugeben und räumt energisch mit den Illusionen des Adels auf, so, wie zuvor mit den Illusionen des Volks. Nichts verlieren von den Früchten der Revolution, weder rechts noch links - das ist der Wille der Bourgeoisie. Und das zu gewährleisten ist aufgrund der Verfassung des Jahres III die Aufgabe des Direktoriums, dem Barras und Tallien angehören.

Plötzlich im Oktober 1795, kurz vor dem Ende des Konvents, kommt es noch zu einer Konfrontation mit den Royalisten, die bei den anstehenden Wahlen ausgeschlossen sind. Mit einer Armee von 20.000 Mann marschieren sie auf die Nationalversammlung, um die Monarchie wiederherzustellen. Dieser Aufstand wird innerhalb weniger Stunden in Gefechten am Pont-Neuf und an der Kirche Saint-Roch vom Sieger von Toulon niedergeschlagen, einem Mann, der mit 26 Jahren bereits General ist: Napoleon Bonaparte. Vom Konvent damit beauftragt, hat der General diese Polizeioperation mit seinen 5.000 Mann geschickt gelöst. Tags darauf wird er zum Gouverneur von Paris ernannt.


Jean-Paul Marat
englisch:
The Chains of Slavery, 1774
The Life of Jean Paul Marat
Biographie von Jean-Paul Marat, von E. B. Bax, London, 1900
Bax stützt sich im wesentlichen auf die Arbeiten von Bougeart und Chevremont.

französisch:
Les Chaînes de l'Esclavage, 1791
Plan de législation criminelle, 1780
"L'ami du peuple" (I)
"L'ami du peuple" (II)
"L'ami du peuple" (III)
Autobiographie de Jean Paul Marat
Die Artikel des "Ami du Peuple" sowie die Autobiographie sind von Charles Simond unter dem Titel "Marat" 1906 veröffentlicht worden.
Marat, L'ami du peuple von Alfred Bougeart, Paris, 1865.
Die erste umfassende Biographie Marat's. Bougeart schildert nicht einfach nur das Leben und die Arbeiten von Marat sondern setzt sich insbesondere mit den Kritikern, vor allem Michelet, auseinander. Bougearts Biographie ist selbst schon ein historisches Werk, was sich in seinen Kommentaren zeigt, wenn er auf die Revolution von 1848 als ein zeitgenössisches Ereignis verweist. Diese Biographie ist als Referenz auf ihrem Gebiet anzusehen.

Saint Just
französisch:
Sur la proposition d'entourer la Convention d'une garde armée prise dans les 83 départements, 22. Oktober 1792
Discours prononcé à la Convention, 24. Mai 1793



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Letzte Änderung: 26. Nov. 2004, Adresse: /deutsch/revfrad.html